Es tut sich was im Paradies
ist vollkommen in Ordnung, nur Ruhe braucht sie.«
Gerührt und auch ein wenig belustigt merkte sie, daß er zitterte.
»Ein Grobian bin ich gewesen. Aber woher sollte ich es ahnen? Sie wußte es ja selbst nicht.«
Kitty erklärte sich eine Weile darauf imstande, nach Hause zu fahren, >wenn ich unbedingt muß<, und um fünf Uhr winkte ihnen Pippa vom Gartentor aus ein freundliches Lebewohl nach. Der Aufbruch war ganz anders vonstatten gegangen, als sie erwartet hatte: Kitty war verdrießlich und apathisch, Alec ängstlich und nervös. Das einzige restlos zufriedende Mitglied der Familie war der greuliche Tommy, der in Kittys matten Armen saß und von seinem sicheren Hort aus bis zum letzten Augenblick Gift und Galle gegen Mohr spie. Als sie endlich fort waren, rief Pippa den Hund und lief hinunter zum Strand, um Amanda zu erlösen, die dort seit neun Uhr angepflockt war und seitdem sehnsüchtig ihrer Befreiung harrte.
Zufällig begegnete sie Dr. Horton, der aus einer der Fischerhütten kam. Er blieb stehen und fragte: »Na, wieder allein?«
»Ja, Gott sei Dank«, erwiderte sie mit einem Stoßseufzer.
Sie wendete sich zum Weitergehen, aber er sagte schnell: »Wenn Sie Ihren Spaziergang noch weiter ausdehnen, lasse ich meinen Wagen stehen und komme mit, wenn ich darf. Ein bißchen Auslauf kann nicht schaden, und ich muß erst in einer halben Stunde im Krankenhaus sein.«
Sie gingen eine Weile in kameradschaftlichem Schweigen nebeneinander her, bis Pippa sagte: »Wie schön, mal nicht unentwegt reden zu müssen. In der Beziehung sind Männer angenehmer als Frauen. Sie schnattern nicht.«
»Ich vermute, in den letzten Tagen sind Sie damit voll auf Ihre Rechnung gekommen, aber wenn Sie weiter auf Ihrer Missionarrolle bestehen... Wann fängt denn nun der Urlaub an?«
»Heute abend. Wenn irgendeiner mit seinem Klagelied bei mir erscheint, bin ich nicht zu sprechen und schicke ihn statt dessen zu Ihnen. Schließlich ist das Aufgabe eines Arztes, nicht einer Bibliothekarin.«
»Bravo. Halten Sie daran fest.«
Das tat sie, und die nächsten vierzehn Tage verliefen beinah unheimlich friedlich. Mrs. West kam aus dem Krankenhaus, Doris kehrte mit ihrem kleinen Buben heim, und Pippa ging sie besuchen, nachdem sie sich vorsorglich einen Tag ausgewählt hatte, an dem der Gemeinderat eine Versammlung hatte und der Vorsitzende seines Amtes walten mußte. Diese Tat war ein Meisterwerk, brüstete sie sich stolz. Alles war wieder im Lot dank ihres mutigen, wenn auch illegalen Eingreifens.
Sie arbeitete in ihrer Leihbücherei, lag so oft wie möglich am Strand in der Sonne, verbrachte viel Zeit mit Jane und blieb über ein Wochenende, während Mark verreist war, bei Margaret Marvell. Nach und nach begann sie doch Rangimarie als ein >friedliches Paradies< zu empfinden.
»Man lebt sich ein«, sagte sie zu Margaret, als sie rauchend in der großen kühlen Gutshalle saßen. »Bald werde ich in ausgelatschten Turnschuhen rumlaufen und die Schnürsenkel baumeln lassen.«
»Ja, man wird bei uns langsam so, das liegt am Klima, glaube ich. Niemand ist hier wirklich reich, außer den Warrens natürlich, aber alles läßt sich verhältnismäßig leicht an, und jeder kann sich ohne große Mühe durchbringen. Ein Leben ist das im Grunde eigentlich nicht.«
Pippa betrachtete das kühle, feingeschnittene Gesicht und erwiderte impulsiv: »Jedenfalls nicht Ihr Leben. Sie müßten von Rechts wegen — na, wie soll ich mich ausdrücken — in einem großen Gesellschaftsraum oder im Ballsaal einer Großstadt Empfänge geben.«
Margaret lachte. »Warum sagen Sie nicht gleich, in einem >Salon« Ich bin nicht der Typ, Pippa, aber ich muß gestehen, ich möchte doch ganz gern noch etwas von meinem Leben haben, bevor ich zu alt bin, um es zu genießen.«
Pippa focht einen kurzen, heftigen Kampf mit sich aus. Wenn sie Margaret dazu bringen könnte, sich ihr anzuvertrauen, wäre sie vielleicht imstande, ihr zu helfen. Aber die Erinnerung an Dr. Hortons spöttisch schmunzelndes Gesicht brachte sie wieder zur Vernunft, und so sagte sie nur leicht: »Weshalb verheiraten Sie Mark nicht und ziehen in die Stadt? Sie haben doch eine Menge Geld.«
»Eine Menge ist übertrieben, aber Schaffarmern geht es zur Zeit ganz annehmbar, und ein Haus in der Stadt könnte ich schon erschwingen. Aber wozu? Ich bin nicht darauf versessen, und Mark zeigt keine Anzeichen von Heiratslust. Manchmal glaube ich, er wird sich nie dazu aufraffen, und wir zwei werden in alle
Weitere Kostenlose Bücher