Es tut sich was im Paradies
von ihrer frühesten Jugend zu berichten, von ihrer Schulzeit, den glücklichen Jahren bis zum Tod ihrer Eltern, den schwierigen, die darauf folgten.
Er lehnte sich in den Sessel zurück, drehte den Kopf herum, so daß er sie an ihrem Schreibtisch besser betrachten konnte, und irgend etwas in seinem Ausdruck mußte wohl daran schuld sein, daß sie ihm Dinge erzählte, die James niemals erfahren hatte, und manches, das sogar Pam verborgen geblieben war, von Freunden, die sich nicht mehr an sie erinnern wollten, von kleinen Demütigungen, dem Kopfzerbrechen um ein neues Kleid, von arroganten Bürovorstehern, die ihr das Leben sauer gemacht hatten und zänkischen Zimmervermieterinnen... Plötzlich blickte sie mit einem Ausruf der Überraschung auf die Uhr.
»Oh, seien Sie mir nicht böse. Sie kommen hierher, um ein bißchen Frieden zu genießen, und ich schnattere die ganze Zeit, schlimmer als Kitty.«
»Ich fand’s nett.«
»Sie machen es einem so gefährlich leicht, zu reden. Sicher werden Sie oft das Opfer derartiger Herzensergüsse. Ich glaube, es liegt daran, daß Sie Arzt sind, übrigens der erste, den ich näher kennenlerne.«
»Ich hatte heute gerade einen freien Abend. Das kommt auch manchmal vor, wissen Sie.«
»Daraus ist nicht viel geworden. Die Leute jammern Ihnen wahrscheinlich dauernd die Ohren voll.«
»Bei Freunden ist das ein Unterschied.«
Sie errötete, weil ihr plötzlich zum Bewußtsein kam, wieviel ihr daran lag, mit diesem großen, ernsten, zurückhaltenden Mann befreundet zu sein, der nie ironisch war und nur ganz selten mal Vernunft predigte. Sie sprang auf und sagte: »So, jetzt haben Sie sich aber ein Abendbrot verdient, nach diesem Wortschwall. Es wird auch Zeit, die beiden da drinnen in ihrem endlosen Palaver zu unterbrechen.«
Die beiden schienen die Unterbrechung nicht übelzunehmen. Pam erklärte gerade lachend: »Vornamen klingen so unerhört vertraulich. Habe ich nicht recht, Doktor? Mark fragte mich nämlich eben nach meinem. Reichlich vorwitzig von ihm. Übrigens, weshalb nennen wir Sie eigentlich immer nur >Doktor Irgendwo haben Sie doch auch einen Taufnamen, den Sie uns schmählich vorenthalten.«
»Einen ziemlich abgenutzten.«
»Ich wette, es ist John. Stimmt’s? Gefällt mir am besten von allen. John sollen Sie von jetzt an heißen. Und warum, frage ich Sie, sagen Sie zu Pippa >Miss Knox Pippa, rede ihm das aus, und du mußt ihn >John< nennen.«
»Ich weiß nicht, für mich war er nie etwas anderes als der >Doktor<. Ich glaube, ich bleibe dabei.«
Er lächelte traurig. »Zu alt und verknöchert, um noch beim Vornamen genannt zu werden. Ja, das kommt davon, wenn man noch aus der vorgestrigen Generation stammt.«
»Sie sind nicht die Spur vorgestrig oder verknöchert«, entgegnete Pam rasch. »Es kommt nur daher, daß man einem Arzt besondere Achtung zollt.«
»Das war einmal. Ich fürchte, diese Aura des Besonderen verblaßt langsam.«
Pippa beteiligte sich nicht an der Unterhaltung, denn sie war mit den Vorbereitungen zum Abendbrot beschäftigt und erklärte den anderen, daß der Doktor zu einer Entbindung müsse und das Baby womöglich nicht warten würde, bis sie gegessen hätten. Und richtig. Der Anruf kam fünf Minuten später. Dr. Horton setzte die Tasse, aus der er gerade trinken wollte, wieder ab und ging ohne ein Wort der Klage seiner Pflicht nach.
»Die verblassende Aura«, zitierte Pam spöttisch. »In Rangimarie strahlt sie jedenfalls noch in voller Glorie.«
Ostern kam und ging in einer Flut von Besuchen und wildem Geschäftsandrang vorüber. Mit dem Geld, das sie einnahm, bestellte Pippa wieder neue Bücher. Dr. Horton, der sie beim Registrieren und Stempeln antraf, bemerkte kopfschüttelnd: »Das wird ja allmählich zur Manie. Bücher und nochmals Bücher. Ich glaube, Sie lesen nicht die Hälfte davon.«
»Natürlich nicht, aber ich habe meine Freude daran, sie in die Regale einzureihen und die Leute sagen zu hören, daß sie in der Stadt seit Monaten vergeblich versuchen, sie zu bekommen.«
»Spießbürgerstolz — oder, noch schlimmer, intellektueller Snobismus. Was bedeutet schon ein neues Buch?«
»Für einen Abonnenten alles. Und ich hungere ja nicht, um sie zu bezahlen. Seit Pam hier ist, leben wir in Saus und Braus.«
Denn Pam besaß eine verführerische Art zu sagen: »Weshalb soll ich keine Trauben kaufen? Wenn du so widerlich stolz bist und mir so bescheidene Vergnügen nicht gönnst, kann ich ja nach Hause fahren.«
Morgens
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