Es tut sich was im Paradies
Opfer seiner Quälsucht geworden, und trotz des allgemeinen Mitgefühls für Douglas spürte man doch überall ein erleichtertes Aufatmen.
Doch es stand einwandfrei fest, daß Nelson Warren von einem Menschen aufrichtig betrauert wurde. Jeder war zutiefst erschrocken über Douglas’ Aussehen. Sein rundes, freundlich heiteres Gesicht wirkte völlig verfallen, die Augen eingesunken, die Haut krankhaft blaß.
»Hat man jemals so etwas gesehen?« sagte Mrs. Foster zu Pippa. »Er muß dieses Scheusal wahrhaftig noch gemocht haben.«
Pippa versuchte hastig vom Thema abzulenken. Sie war mittlerweile so weit, daß sie die bloße Erwähnung von Douglas Warrens Namen fürchtete. Nicht einmal mit Pam konnte sie über ihn sprechen.
»Der arme Douglas«, fiel nun auch Pam ein, »daß er es so schwernimmt... Als weine er seinem Sklavenhalter nach. Na, er wird hoffentlich bald zur Vernunft kommen und merken, daß er wieder frei ist. Der Sohn gefällt mir übrigens gut, scheint mir beinah gut genug zu sein für Jane.«
Philip Warren war einen Tag nach dem Tod seines Onkels von Dr. Horton zurückgeholt worden und hatte sich aller Pflichten, einschließlich der Sorge um seinen Vater, angenommen. Er war ein solider, gutaussehender Mann; er wirkte älter als vierundzwanzig Jahre. In seinem Gesicht prägten sich Rechtschaffenheit und Intelligenz aus, und daß es unter glücklicheren Umständen auch lachen konnte, war durchaus denkbar. Unter ihm, soviel stand jedenfalls fest, würden Liebe und Glück wieder einkehren in das große, schweigsame Haus auf dem Berg. Pam begegnete ihm auf dem Postamt und freundete sich stehenden Fußes mit ihm an. Sein Vater, erzählte er ihr, leide immer noch schwer unter dem Schock. Er sei froh, wenn die Beerdigung vorüber wäre und das Leben wieder seinen normalen Gang liefe.
Pam selbst genoß im Dorf eine gewisse Berühmtheit.
»Hören Sie, ist das wahr«, fragte Pat O’Brien augenzwinkernd, »daß Sie und die andere junge Dame direkt da oben waren, als der Alte das Gift schluckte? Also, ein Jammer, daß Sie nicht gleich ins Haus ‘rein sind und selber nachgeguckt haben.«
Aber Pam beantwortete alle Fragen mit dem gleichen, stereotypen Satz, das Haus sei anscheinend völlig verlassen gewesen und sie hätten niemand getroffen.
»Was ja absolut der Wahrheit entspricht, mein Herz«, sagte sie zu Pippa, »auch wenn du durchs Fenster geluchst hast. Übrigens, weshalb erzähltest du John nichts davon?«
»Ich weiß nicht recht, aber ich möchte es eigentlich keinem auf die Nase binden. Ich habe so ein schlechtes Gewissen, weil ich gerade da spionieren mußte, als das Unglück geschah. Bitte, erwähne es mit keinem Wort, auch nicht Mark gegenüber.«
»Natürlich nicht, aber ich kann gar nicht begreifen, weshalb dich die Geschichte so mitnimmt. Du läufst ‘rum wie dein eigener Schatten.«
»Die Leute werden nicht so schnell aufhören, darüber zu klatschen, und das ist mir fürchterlich.«
»Du solltest John bitten, daß er dir irgend etwas verschreibt — zum Schlafen. Die meisten Leute glauben ja, was der Arzt verordnet, vollbringt Wunder, und dadurch wirkt’s dann tatsächlich.«
»Ich glaube aber nicht, daß Doktor Horton zu denen gehört, die einfach irgendwas verschreiben, und er macht sich auch keine Gedanken, wenn es nichts wirklich Ernstes ist.«
Aber da irrte sie sich. Der Doktor machte sich sehr wohl Gedanken, und am Abend vor der gerichtlichen Leichenschau kam er unter dem Vorwand, sich ein Buch holen zu wollen, in die Bibliothek, wo die beiden Mädchen vor dem Kaminfeuer saßen, dem ersten in diesem Herbst.
»Oh, Sie haben’s aber gemütlich. Bemühen Sie sich nicht, ich suche mir selbst etwas Passendes aus, wenn ich darf.«
Aber danach verweilte er noch mehrere Minuten, stand an den Kamin gelehnt und schaute auf Pippa herab, die in den Tiefen eines großen Sessels beinah verschwand.
»Schlafen Sie nicht gut?« fragte er mit einem Mal ziemlich abrupt.
Sie würde es sofort heftig abgestritten haben, da sie zu den Menschen gehörte, die stets, koste es, was es wolle, behaupten, es ginge ihnen großartig, aber Pam kam ihr zuvor.
»Überhaupt nicht, und wenn, dann quält sie sich mit den sonderbarsten Alpträumen. Das erste Mal passierte das in der Nacht zum Sonntag, nachdem wir in Warrenmede gewesen waren, und seitdem ununterbrochen.«
»Sie nehmen aber hoffentlich keine Schlafmittel, wie?«
»Natürlich nicht, die brauche ich auch nie. Wahrscheinlich schläft man einfach
Weitere Kostenlose Bücher