Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Titel: Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Brackston
Vom Netzwerk:
hinunter. Hänsel folgte ihr wie eine lästige Version eines verirrten Schäfchens. Nach kurzem Zögern sagte Gretel: »Du kannst mir nicht zufällig ein bisschen Reiseproviant zubereiten? Nichts Besonderes, eine kleine Bratwurst und Schwarzbrot wäre nicht schlecht. Vielleicht noch ein Krug Sauerkraut   … und ein oder zwei Soleier.«
    »Betrachte es als erledigt«, sagte Hänsel mit neuem Elan, glücklich, etwas zu haben, das er begreifen konnte.
    Gretel wartete, bis er sich in die Küche verzogen hatte, ehe sie zur Hintertür hinausschlüpfte und ins Eishaus ging. Sie raffte alle Kraft zusammen, ehe sie die Hand zwischen die Eisklumpen schob und nach dem Wachspapierpäckchen tastete, das sie am Vorabend hier deponiert hatte. Ihre Fingerspitzen fanden das Päckchen, aber es war mit Eis überzogen und sehr rutschig, sodass es kaum zu greifen war. Grunzend beugte sie sich weiter vor und zwang ihren Arm in der Lücke zwischen dem Eis und der Steinwand so weit hinunter, wie sie nur konnte.
    »Verdammte Axt!«, fluchte sie, als sie fühlte, wie das Päckchen ihren Fingern entglitt. Den Körper bereits fest auf das Eis gepresst, versuchte sie, den Arm noch weiter zu strecken. Inzwischen war die Vorderseite ihrer Kleidung durchnässt. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie im Ausgleich zum ersten Mal seit Tagen nicht schwitzte. In dem düsteren Eishaus sah sie sich nach etwas um, das ihr helfen konnte, das schwer zu greifende Bündel an sich zu bringen. Ihr Blick fiel auf den kleinen Pickel, den sie und Hänsel dazu benutzten, Eis aus dem Block zu schlagen. Gretel befreite sich aus der Lücke und schnappte sich den Pickel, doch als sie gerade zur Tat schreiten wollte, wurde sie von einem gewaltigen Hämmern dermaßen erschreckt, dass sie das Ding beinahe hätte fallen lassen.
    »Aufmachen!«, brüllte eine Stimme auf der vorderen Veranda. »Gendarmerie. Öffnet die Tür!«
    Gretel war verwirrt. Das war nicht die Stimme von Feldobergendarm Strudel. Außerdem war es kaum neun Uhr morgens. Um diese Zeit hatte er doch sicherlich noch keine Suchtrupps nach ihr ausgesandt?
    Das Hämmern wurde lauter, die Stimme drängender.
    »Aufmachen. Wir sind Gendarmen aus Bad am See und haben Order, Gretel aus Gesternstadt wegen Mordes zu verhaften!«
    Bad am See! Jetzt begriff sie. Bechstein war zurück, um sie zu verfolgen!
    Sie musste verschwinden. Aber die Tür war nicht verschlossen, und Hänsel würde sie so oder so widerstandslos öffnen. Gretel blieb keine Zeit. Sie rammte den Pickel in die Lücke, zog das Päckchen heraus, stopfte es in ihr Korsett und schnappte nach Luft, als das Eis ihren Busen berührte. Als sie herumwirbelte, sah sie Hänsel vor sich, der ihr den Schlüssel zur Haustür entgegenstreckte. Verblüfft starrte sie ihn an.
    »Dachte, du willst vielleicht nicht, dass sie reinkommen«, sagte er.
    »Hänsel, du bist der beste Bruder, den ich je hatte«, lobte ihn Gretel.
    Sie eilte ins Haus, warf sich ein derbes Cape über die Schultern und griff sich im Hausflur ihren Koffer. Das Hämmern hatte sich zu einem Donnern gesteigert, und Rolands feine Handwerkskunst splitterte bereits unter der Einwirkung roher Gewalt.
    »Hier!« Hänsel drückte ihr ein Fresspaket in die Hand. »Du brauchst was zu essen.«
    Gretel lächelte ein wenig beklommen. Einen Moment fürchtete sie, sie könnte ihren Bruder auf verlorenem Posten zurücklassen. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, schob Hänsel sie zur Verandatür hinaus, ehe er im Hausflur verschwand.
    Als Gretel durch das Loch krauchte, das Peterson-Müller auf seinem Weg zurückgelassen hatte, konnte sie gedämpft die letzten Augenblicke im Leben ihrer Haustür hören, gefolgt von Hänsels beschwichtigender Stimme, als er sich den Gendarmen in den Weg stellte. Gretel klemmte sich den Proviant unter den einen und den Koffer unter den anderen Arm, hielt den Kopf eingezogen und huschte die Gasse nach Westen zur Furt hinunter.

9
    D er bleierne Himmel rülpste Donner, als Gretel zum Treffpunkt eilte. Zumindest fand das schwüle Wetter ein Ende, und der längst überfällige Regen fiel schwer auf die staubigen Straßen von Gesternstadt. Als Gretel die Furt erreichte, war der Wasserspiegel bereits hoch genug, einen zaghaften Reisenden zum Nachdenken zu bringen. Aber Gretel war nicht zaghaft, war es nie gewesen, und würde es auch nie sein. Sie stellte sich unter einen Haselnussbaum, der ihr ein Mindestmaß an Schutz bot.
    Die Stadtuhr schlug zehn. Wo war Roland? Einen

Weitere Kostenlose Bücher