Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
„Daisy meint es nur nett. Wenn sie an Kates Beerdigung teilnehmen möchte, dann ist das ihr gutes Recht.“ In Wahrheit glaubte sie nicht ein einziges Wort, das sie sprach.
Er sah sie ungläubig an. „Sie ist nur dann nett, wenn sie sich davon etwas verspricht. Vergiss nicht, die Reporter sind hier, Francesca.“
Eine üble Vorahnung überkam sie. Ihr Blick kehrte zurück zu Kurland, der erfreut grinste. „Weiß er davon? Weiß er, dass sie deine Geliebte war?“
„Kannst du dir einen anderen Grund vorstellen, warum er so schief grinst? Zum Glück schreibt er nicht für das Ressort Gesellschaft“, sagte Hart mürrisch.
Francesca wollte nicht, dass er Daisy fortschickte. Vielmehr war ihr daran gelegen, die Frau zur Rede zu stellen und herauszufinden, was genau sie eigentlich von Hart wollte. „Calder, mach bitte keine Szene. Sie ist hier, Kurland hat sie gesehen. Jeder hat sie gesehen. Außerdem wissen wir beide die Wahrheit, nämlich dass sie nicht deine Geliebte ist.“ Sie versuchte, ihm aufmunternd zuzulächeln, doch in Wahrheit hatte sie Mühe, sich nicht gedemütigt zu fühlen. Sie konnte sich gut vorstellen, was alle anderen Anwesenden dachten, weil es genau das war, was auch ihr Vater dachte – was er denken wollte.
„In einem Punkt gebe ich dir Recht – eine Szene würde alles nur noch schlimmer machen. Ich schlage vor, wir gehen hinein, da inzwischen wohl jeder eingetroffen sein müsste.“ Auf dem Fußweg vor der Kirche war deutlich weniger los, die meisten Gäste hatten auf den Bänken Platz genommen.
Francesca blieb bei Hart untergehakt, doch als Daisy und Rose an ihnen vorbei in die Kirche gingen, wurde ihr fast schwindelig. Beide Frauen waren jede auf ihre Weise bemerkenswert – Daisy schlank und blass, in einem Kleid in den Farben Altrosé und Grau, dazu einen Hut mit einem halben Schleier, Rose dagegen groß und üppig, mit dunklem Teint und schwarzem Haar, gekleidet in eine marineblaue Kombination mit einem kleinen eleganten Hut. Es gab keinen Zweifel daran, dass die beiden genau wussten, wie sehr sie den Mittelpunkt überall dort bildeten, wo sie auftauchten. Mit hoch erhobenem Kopf schienen sie mehr zu schweben als zu gehen, als seien sie unerschütterlich stolz darauf, wer sie waren und wie sie lebten. Daisy hielt Roses Arm, als sei die ihr Geliebter.
So schwer es ihr auch fiel, versuchte Francesca, Daisy Jones nicht zu hassen. Sie waren sogar einmal Freundinnen gewesen, doch als Daisy ihr im Vorbeigehen zulächelte, fühlte sie nur eine blinde Wut. Schlimmer noch war aber, dass sie auch Angst vor ihr hatte.
Hart wirkte sogar so, als wolle er jeden Moment einen Mord begehen.
Bragg kam zu ihnen, nachdem er endlich einen Platz für sein Automobil gefunden hatte, auf dem er nicht den Verkehr auf der Straße behinderte. „Das ist ja ein interessanter Aufmarsch. Geht es dir gut?“, fragte er Francesca, als sei Hart gar nicht anwesend.
„Ja, mir geht es gut“, log sie und fügte an: „Komm, setz dich zu uns.“ Seine Anwesenheit spendete ihr mehr Trost, als sie Hart gegenüber hätte eingestehen wollen.
Father Culhane war ein sehr schlanker blonder Mann mit hellbraunem Haar. Als er sich auf dem Pult abstützte und dabei eine angemessen ernste Miene zur Schau trug, kam Francesca zu dem Schluss, dass er wohl Ende zwanzig war, aber sicher nicht älter. Er hatte eine markante Hakennase, und an den Schläfen war er bereits ergraut. Es war ihre Absicht gewesen, nach dem Mord an Margaret Cooper auch mit ihm zu reden, doch es hatte sich keine Gelegenheit dazu ergeben. Abermals nahm sie sich vor, ihn zu befragen, was er über die Opfer des Schlitzers wusste, gehörten zwei der Frauen doch zu seiner Gemeinde.
„Kate Sullivan war ein Segen für jeden, der sie kannte“, sagte er, als er zum Nachruf auf sie ansetzte. „Die Frau, die ich kennen lernte, verbrachte jeden Tag ihres Lebens mit harter, ehrlicher Arbeit. Sie gab anderen, die bedürftig waren. Sie führte ein beispielhaftes, ein gottesfürchtiges, ein gutes Leben. Als Frischvermählte kam sie zum ersten Mal vor sechs Jahren zu mir. Ich werde niemals den Tag vergessen, an dem wir uns kennen lernten, nachdem sie gerade erst in dieses Viertel gezogen war. Sie war voller Leben, voller Glück und voller ehrlicher Hoffnung.“ Er hielt inne und sah gütig lächelnd in die Runde.
Francesca hörte ihm nur beiläufig zu, da sie viel zu sehr damit beschäftigt war, die versammelten Trauergäste zu mustern, die Kate die letzte Ehre
Weitere Kostenlose Bücher