Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
hat er für keine der Tatzeiten ein Alibi. Und dennoch möchte ich ihn von meiner Liste der Verdächtigen streichen.“
Er sah sie amüsiert an. „Ist das nicht vielleicht ein bisschen früh, Darling?“
„Ich habe das Gefühl, er ist nicht unser Mann“, erklärte sie und sah ihne nachdenklich an.
„In gewisser Weise teile ich sogar dein Gefühl“, gab er langsam zurück.
„Miss Cahill, wie geht es Ihnen?“ Die Frage kam von Isaacson, einem Reporter der Tribune, der sie wissbegierig ansah. „Es kursieren Gerüchte, dass der Schlitzer ein Gentleman ist. Stimmt das? Und gestern Abend hat die Polizei einen gewissen Harry de Warenne verhört, der auch Lord Randolph genannt wird. Was hat es damit auf sich?“
Francesca hörte Isaacson, reagierte aber nicht auf die Frage. Sie sah Francis O’Leary und Sam Wilson, die beide Arm in Arm auf dem Weg zur Kirche waren. Beide trugen ihre beste Kleidung. Auf diese Entfernung konnte auch Wilson als Gentleman durchgehen. Niemand hätte ihm angesehen, dass er eigentlich Uhrmacher war. Sie warf Hart einen viel sagenden Blick zu, dann antwortete sie rasch auf Isaacsons Frage: „Wir haben Grund zu der Annahme, dass der Schlitzer ein Gentleman ist, aber mit hundertprozentiger Sicherheit werden wir das erst wissen, wenn wir ihn gefasst haben.“
„Verdächtigen Sie Lord Randolph?“, fragte Arthur Kurland und löste sich aus dem Pulk seiner Kollegen. „Wie ich höre, stammt er aus einer recht vornehmen Familie, die in Großbritannien und Irland zu Hause ist.“
Sie merkte, wie ihr Lächeln verschwand. Hart drückte warnend ihre Hand. „Nein, Mr Kurland“, gab sie zurück. „Ich fürchte, das war eine falsche Fährte.“
„Na, was soll’s“, meinte Kurland grinsend. „Ich kann ihn ja einfach selbst dazu befragen.“
Verblüfft drehte sich Francesca um und entdeckte Randolph, der soeben aus einem Hansom ausstieg, in einer Hand den Spazierstock. „Was macht er denn hier?“, fragte sie.
„Er erweist Kate Sullivan die letzte Ehre, was sonst?“, sagte Hart.
„Er kannte Kate Sullivan doch gar nicht – zumindest behauptet er das“, entgegnete sie im Flüsterton, ohne den Blick von dem Mann abzuwenden.
„Dann verfolgt er wohl ein anderes Ziel.“ Hart deutete mit einer Kopfbewegung an, sie solle einmal zur anderen Straßenseite schauen.
Dort kamen Gwen O’Neil und Bridget den Block entlang und hatten es offenbar sehr eilig. „Fehlt noch jemand?“, überlegte Francesca, die Mühe hatte, bei dieser Menge den Überblick zu behalten.
„Ich glaube nicht“, sagte Hart, da kam ein weiterer Hansom vorgefahren. Ungläubig versteifte Calder sich, und dann erkannte auch Francesca den Grund dafür.
Soeben war Daisy Jones eingetroffen.
Wieder kam in Francesca eine entsetzliche Angst auf, ihr Herz setzte einen Schlag lang aus und schlug dann umso heftiger. Daisy war in Begleitung ihrer Geliebten Rose, einer großen, dunkelhaarigen und exotisch wirkenden Frau, die in aller Ruhe den Kutscher bezahlte.
Francesca griff nach Hart und zog ihn mit sich zu den Stufen vor der Kirche. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie beide Frauen ausstiegen. Was hatten sie hier zu suchen? Insgeheim war ihr längst klar, dass ihre Anwesenheit nichts mit der Frau zu tun hatte, die heute beigesetzt wurde. Es konnte den beiden nur um sie und um Hart gehen.
Instinktiv schaute sie in die andere Richtung, da sie ahnte, dass sich noch mehr Ärger zusammenbraute. Und tatsächlich: Kurland sprach mit Randolph. Ihre Blicke wanderten weiter, denn sie spürte, das konnte noch nicht alles sein. Dann sah sie, dass sie recht hatte. David Hanrahan stand am Eingang zur Kirche und warf Randolph hasserfüllte Blicke zu. „Ich habe ein ungutes Gefühl, was diese Beerdigung angeht“, sagte sie leise zu Hart und umschloss seine Hand.
„Ich werde dafür sorgen, dass sie sofort wieder von hierverschwindet“, sagte Hart mit Blick zu Daisy.
Francesca bemerkte, wie sehr sich Hart über ihre Anwesenheit ärgerte. „Nein“, widersprach sie ihm, hätte aber zu gern gewusst, warum der bloße Anblick dieser Frau Hart so zornig werden ließ. Sein Blick war finster, die Miene wie versteinert. Er sah jetzt nicht mehr zu der Frau, die noch vor kurzem seine Geliebte gewesen war, doch er war unverändert angespannt.
Warum war Daisy nur zu ihm ins Büro gekommen? Hatte sie gehofft, sie könnte ihn verführen, damit er sich wieder auf eine Affäre mit ihr einließ? Sie lächelte ihn noch eine Spur freundlicher an.
Weitere Kostenlose Bücher