Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
Fahrer, dankte ihm und stieg aus. Als die Droschke wegfuhr, blieb sie noch einen Moment stehen und musterte das riesige Ziegelsteinhaus eingehend. Es gab keinerlei Anzeichen von Leben, doch war das zu dieser Uhrzeit nicht ungewöhnlich. Unsicher, was sie erwartete, öffnete sie das Eisengitter und ging über den gepflasterten Weg zum Haus. Der sorgsam gepflegte Vorgarten stand in voller Blüte, und Francesca sah sich vorsichtig um. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und sie erwartete jede Sekunde, dass jemand hinter einem Busch hervorsprang.
Kaum hatte sie sich wieder einigermaßen beruhigt, bemerkte sie, dass die Eingangstür offen stand.
Alarmiert hielt Francesca inne. Plötzlich dachte sie an ihren überstürzten Aufbruch. Vor lauter Eile hatte sie nicht daran gedacht, ihre Pistole, eine Kerze oder irgendeinen der anderennützlichen Gegenstände mitzunehmen, die sie normalerweise in der Tasche hatte. Sie nahm sich vor, niemals wieder ohne Pistole aus dem Haus zu gehen.
Sehr vorsichtig lugte Francesca durch den Türspalt. In komplette Dunkelheit gehüllt, lag die Eingangshalle vor ihr. Die Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf, als sie vorsichtig die Tür aufstieß und eintrat.
Sie hatte kein gutes Gefühl. Ganz und gar kein gutes Gefühl. Wo war Daisy? Wo Rose? Wo die Bediensteten? Leise bewegte sich Francesca in Richtung Wand und tastete nach dem kleinen Tisch, an den sie sich von ihren Besuchen erinnerte. Sie lehnte sich dagegen und horchte.
Jedes Huschen einer Maus hätte sie gehört, da das Haus auf unheimliche Weise still war. Obwohl sie liebend gern eine Lampe angezündet hätte, hielt sie sich zurück. Francesca wartete noch einen Moment, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und schlich dann weiter.
Nach rechts ging es in ein Esszimmer. Als die Scharniere beim Öffnen der Flügeltüren knarrten, zuckte sie zurück, doch der riesige Raum war dunkel und leer. Sie machte sich nicht die Mühe, die Türen wieder zu schließen, sondern durchquerte rasch die Halle, wobei sie nervös zu der breiten gewundenen Treppe nach oben blickte.
Die nächste Tür führte zu dem kleineren von zwei miteinander verbundenen Salons. Auch sie stieß Francesca auf. Wie erwartet erwies sich der Raum ebenfalls als leer.
Während sie kurz innehielt, schweiften ihre Gedanken zurück zu dem Moment, als sie in diesem Zimmer gestanden und mit dem Ohr an der Tür zum größeren Salon Hart und Daisy belauscht hatte. Sie hatte Calder damals kaum gekannt, doch trotzdem hatte er großen Eindruck auf sie gemacht, und sie fühlte sich von ihm angezogen wie eine Motte vom Licht. An jenem Tag war sie dreist genug gewesen, durch das Schlüssellochdie Liebesspiele von Hart und seiner Geliebten zu beobachten. Natürlich wusste Francesca, dass dieser Einbruch in die Intimsphäre unverzeihlich war. Trotzdem hatte sie ihre Augen nicht abwenden können.
Sie schüttelte die Erinnerung ab. Das war viele Monate vor Harts erstem Kuss gewesen, bevor er sich von Daisy getrennt hatte – und bevor sie und Daisy zu Feindinnen und Rivalinnen wurden.
Nichts davon spielte jetzt eine Rolle. Falls Daisy oder Rose in Schwierigkeiten waren, wollte Francesca helfen. Sie verließ den Salon durch die gleiche Tür, durch die sie gekommen war. Kaum hatte sie wieder die Halle betreten, vernahm sie ein tiefes unregelmäßiges Stöhnen.
Sie war nicht allein.
Francesca erstarrte. Ihr Blick fixierte die breite Treppe gegenüber, und sie lauschte. Wieder hörte sie das Geräusch und war diesmal sicher, dass es von einer Frau stammte.
Der Laut kam nicht von oben, sondern von irgendwo hinter der Treppe, aus dem hinteren Teil des Hauses. Wenn sie doch nur eine Waffe bei sich hätte!
Jede Vorsicht außer Acht lassend lief sie hinter die Treppe. „Daisy? Rose?“
Ein flackerndes Licht, wie von einer Kerze, drang aus einem kleinen Raum direkt vor ihr. Die Tür stand weit offen, und sie erkannte an dem leeren Schreibtisch, dem Stuhl und einem Sofa, dass es sich um ein Arbeitszimmer handelte. Francesca trat in das Zimmer und schrie auf.
Auf dem Boden saß Rose und beugte sich über eine Frau, deren platinblonde Haare nur zu Daisy gehören konnten. Immer wieder gab Rose ein tiefes, klagendes Stöhnen von sich.
Bestimmt war Daisy nur verletzt! Francesca eilte zu Rose und sah, dass sie die Freundin in ihren Armen hielt. Daisy trug ein helles Satinkleid, das mit glänzendem, erschreckend rotemBlut beschmiert war. Augenblicklich kniete Francesca
Weitere Kostenlose Bücher