Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
Joel im Schlepp eilten sie den Block entlang und bogen um die nächste Ecke, um sich zu dem Haus zu begeben, in dem die Kennedys lebten.
Mit zitternden Händen stellte Gwen den Wasserkessel auf den Herd. Sie war noch immer so aufgeregt, dass sie kaum durchatmen und erst recht keinen klaren Gedanken fassen konnte. Aber sie war sich des Gentlemans bewusst, der an ihrem Küchentisch saß.
„Gwen“, sagte Harry de Warenne, räusperte sich sofort, stand auf und fuhr fort: „Mrs O’Neil, bitte.“
Sie drehte sich nicht zu ihm um und kämpfte weiter gegen die Tränen an. Dass er hier war, hier in Amerika, in der Stadt, in ihrer Wohnung, konnte sie noch immer nicht fassen. Warum war er hergekommen?
„Gwen.“ Seine Stimme hatte nun einen raueren Klang. „Ich meine … Mrs O’Neil. Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken. Es wäre wohl besser gewesen, Ihnen zuerst eine Nachricht zukommen zu lassen.“
Sie ermahnte sich, dass sie sich zusammenreißen musste. Er durfte niemals erfahren, wie sehr sie sich in ihn verliebt hatte – und wie dumm das von ihr gewesen war. Langsam holte sie tief Luft, dann drehte sie sich zu ihm um. Bridget stand am Waschbecken, die Augen weit aufgerissen, das Gesicht kreidebleich.
Harry – nein, Lord Randolph – sah sie eindringlich mit seinen blauen Augen an, für die seine Familie so bekannt war. Sein Gesicht hatte einen finsteren Ausdruck angenommen.
„In diesem Viertel treibt ein Mörder sein Unwesen“, brachte Gwen schließlich heraus. „Am Montag wurde meine Nachbarin umgebracht. Sie haben mir einen riesigen Schreck eingejagt.“
„Ich las darüber in der Zeitung“, erwiderte er, zögerte kurz und fügte dann an: „Wie können Sie hier nur leben?“
Sie straffte die Schultern und hob das Kinn, soweit es ihr noch verbliebener Stolz zuließ. „Dies ist jetzt unser Zuhause.“
Nicht einmal für einen winzigen Moment nahm er den Blick von ihrem Gesicht, während sie in seinen unendlich blauen Augen zu ertrinken schien. „Gefällt es Ihnen hier … in Amerika?“
„Ja“, log sie. Seit fünf Monaten hatte sie ihn nicht mehr gesehen, und er hatte sich in dieser Zeit stark verändert. Sein Gesicht mit den hohen Wangenknochen, dem kantigen Kiefer und der markanten Nase war nach wie vor das eines unglaublich attraktiven Mannes, doch in ihrer Erinnerung war da auch mancher warmherzige Blick, ein verführerisches Lächeln und mehr Güte, als man sich träumen lassen konnte. Aber alle Männer zeigen sich von ihrer liebevollen Seite, dachte sie verbittert, wenn sie den Körper einer Frau begehren.
Nach kurzem Zögern sagte er: „Das beruhigt mich sehr.“
Sie stand da, die Arme um sich geschlungen, bis der Wasserkessel zu pfeifen begann. Warum war er hergekommen? Was war geschehen? Nicht einmal hatte er gelächelt, und da waren auch keine liebevollen oder besorgten Gesten zu beobachten. Nicht, dass sie etwas in dieser Art erwartet hätte, doch wo früher Zuneigung und Heiterkeit geherrscht hatten, war nun eine beängstigende Kälte zu spüren.
Er machte einen Schritt auf sie zu, seine Miene wirkte dabei noch finsterer.
Gwen war nicht fähig, sich zu rühren.
Doch er fasste sie nicht an, sondern griff an ihr vorbei nach dem Wasserkessel, um ihn vom Herd zu nehmen.
Zitternd wandte sie sich ab, denn für Sekunden hatte sie erwartet, er würde sie in die Arme nehmen. Schlimmer noch – sie hatte es nicht nur erwartet, sondern sich regelrecht danachgesehnt. Wie dumm sie doch war!
„Wir wollen Sie nicht hier haben“, schrie Bridget ihn auf einmal an. „Warum sind Sie zu uns gekommen? Sie haben Mama gehört. Wir sind hier glücklich. Es gefällt uns hier!“
Er sah das Kind an. „Es tut mir leid, Bridget, wenn ich so plötzlich aufgetaucht bin, aber ich hatte geschäftlich in der Stadt zu tun, und da wollte ich mich erkundigen, wie es dir und deiner Mutter geht.“
Seine Geschäfte waren es also, die ihn hergeführt hatten, dachte sie, während sie sein klassisches Profil betrachtete. Sein Mund war früher so lebhaft gewesen, jetzt dagegen verzog er ihn kaum einmal, sodass er die meiste Zeit über eine schmale Linie blieb – sogar dann, wenn er redete.
Wieder sah er zu ihr. Sie fühlte sich wie in einer Falle, eingeklemmt zwischen Anrichte, Waschbecken und dem Herd links von ihr. „Ich fühle mich für alles verantwortlich, was geschehen ist“, sagte er ohne eine Gefühlsregung in seiner Stimme. Er holte seine Brieftasche hervor und entnahm einen Scheck.
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