Escape
wirklich hier warteten.
Ich durchwühlte den Haufen und fand ganz unten ein Gummi, in dem ein langes Haar hing. Es musste sich mit dem Haargummi verknotet haben, als seine Besitzerin ihren Pferdeschwanz gelöst hatte. Noch ein Beweis dafür, dass hier ein Mädchen gewohnt hatte. Ich warf das Haargummi in den Mülleimer und suchte mir ein anderes.
Ich versuchte, mir eine anständige Frisur zu machen, und gab mir Mühe, dabei nicht an sie zu denken, während ich die geheimnisvolle Haarbürste benutzte. Im Erdgeschoss traf ich auf Sam und Cas, die in der Küche saßen und sich eine Packung Cheerios teilten.
Die Jungs hörten auf zu essen und starrten mich an.
»Was ist?«, fragte ich.
Cas prustete los. »Nichts. Du... Du siehst einfach fürchterlich aus.«
Ich merkte, wie ich rot anlief.
»Wir gehen heute einkaufen«, sagte Sam und reichte Cas die Packung. »Wir holen Benzin für das Stromaggregat und was zum Anziehen, das besser passt. Außerdem möchte ich ein paar Handys haben.«
»Super.« Cas hielt die Packung über seinen Kopf und ließ die Cheerios direkt in den geöffneten Mund rieseln. Mit vollem Mund sprach er weiter. »Ich hätte gern neue Schuhe. Von Nike. Die neonfarbenen. Die habe ich ständig im Fernsehen gesehen und will endlich selbst welche haben.«
»Die werden dich auch nicht cooler machen, falls du darauf hoffst«, sagte ich. Ein kläglicher Versuch, meine Würde wiederherzustellen. Noch dazu ziemlich geschmacklos.
»Ooooh.« Cas verzog das Gesicht in gespielter Betroffenheit. »Wie gemein.«
Ich nahm mir eine Handvoll Cheerios aus der Box, während Sam an mir vorbeirauschte. Ich sah ihm nach.
»Trev?«, rief er. »Sammle die Waffen zusammen und steck sie alle in eine Tasche. Wir fahren gleich los.«
»Wieso nehmen wir die Waffen mit?«, meldete sich Nick aus dem Wohnzimmer.
»Für den Fall, dass wir nicht zurückkommen können.« Sam kam noch einmal in die Küche und schnappte sich seinen Mantel vom Haken. »Wir sollten alles mitnehmen, was wir brauchen, aber ich will trotzdem nicht, dass jeder Einzelne von uns bewaffnet ist.«
Zehn Minuten später waren wir unterwegs, Moms Tagebuch steckte im Seitenfach neben mir. Wir fuhren ungefähr eine Stunde bis zur nächstgrößeren Stadt. Sam parkte vor einer Restaurantkette, die für ihr Büffet bekannt war. Die Idee kam natürlich von Cas, aber ich konnte es auch kaum erwarten. Meine letzte richtige Mahlzeit lag schon so lange zurück, dass ich mich niemals für nur ein Gericht hätte entscheiden können.
Drinnen roch es nach allen Köstlichkeiten. Nach Pizza, Brathähnchen, Schokoladenkuchen. Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte.
In den ersten zehn Minuten sprach keiner von uns auch nur ein Wort. Wir hatten uns von abgelaufenem Tütenessen ernährt, es war unbeschreiblich, mal wieder etwas Anständiges zu essen.
Als die Jungs zur zweiten Runde am warmen Büffet aufbrachen, ging ich schnurstracks zum Nachtisch. Mir gingen fast die Augen über, so viel Schokoladenhaltiges wartete dort. Ich schnappte mir einen Brownie und schlenderte zurück an unseren Tisch, der seitlich in einer Nische lag.
Sam hatte auf Nachschlag verzichtet. Statt zu essen, hielt er den Zettel, den er in der brandsicheren Kiste gefunden hatte, in der Hand und starrte darauf.
Als er mich herankommen sah, stand er auf, um mich durchrutschen zu lassen. »Hast du die Nachricht schon entschlüsselt?«, fragte ich.
Die Kellnerin tauchte auf, um das benutzte Geschirr abzuräumen, und er schob ihr seinen leeren Teller hin. Sie war eine kleine Person, ihr zimtbraunes Haar steckte in einem ordentlichen Pferdeschwanz. Sie musterte Sam mit einem abschätzigen und gleichzeitig lüsternen Blick. Ich rutschte näher zu ihm und tat so, als würde auch ich auf den Zettel schauen, mein Brownie wie vergessen vor mir.
Sam bedankte sich bei ihr und schon eilte sie davon. Ich rückte nicht wieder weg, auch wenn das vielleicht besser gewesen wäre. Wir saßen nun näher beieinander als nötig.
Sein Bein stieß gegen meins und sendete einen wohligen Schauer den ganzen Weg hinauf bis zu meinem Kopf. Er roch nach Lagerfeuer und Seife. Ich war ihm so nah und wäre am liebsten noch näher an ihn herangerückt.
»Kartoffelpüree!«, rief Cas und ließ sich auf die Sitzbank gegenüber fallen. »Schmorbraten. Brot. Das Paradies.«
Ich rutschte nun doch ein Stück von Sam weg und fing einen vielsagenden Blick von Trev auf, während der sich neben Cas setzte.
»Und, schon eine Idee,
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