Escape
anfühlte.
War ich in Ordnung? Nun, es ging mir so gut, wie es unter diesen Umständen möglich war. Und gerade war ich Sam so nah, dass ich spürte, wie sich sein Brustkorb hob und senkte. Gerade fühlte ich mich sicher. Und wie unendlich dankbar und erleichtert ich war, hier bei ihm und nicht bei Connors Männern auf dem Parkplatz zu sein. Sie gehörten nicht zu den Guten, wie Dad mir hatte weismachen wollen. Connor, Riley, die Sektion. Wieso war ich so dumm gewesen, ihnen zu trauen?
»Danke«, murmelte ich in Sams und Trevs Richtung, das Wort klang dumpf und klein.
»Wir hätten dich niemals zurückgelassen«, sagte Sam.
Und ich glaubte ihm.
19
Während der gesamten Stunde, die wir bis zum Haus brauchten, rückte Sam kein Stück von mir ab. Ich lehnte mich an ihn, kuschelte mich unter seinen Arm. Ich betrachtete seine rechte Hand, die auf seinem Bein ruhte, die Krümmung seiner langen Finger, seine eckigen Knöchel und fragte mich, wie es wohl wäre, seine Hand zu halten. Ich wollte, dass er mich in der Welt verankerte. Ich fühlte mich von allem losgelöst.
Die Worte Passiert das hier gerade wirklich? schwirrten in Endlosschleife durch meinen Kopf.
Zu Hause hatte ich ein sicheres Leben gehabt, in dem Sams Rolle klar definiert gewesen war. Und auch wenn ich ihn jeden Tag angeschmachtet und mir nichts sehnlicher gewünscht hatte als seine Aufmerksamkeit und Zuneigung, war mir doch bewusst gewesen, dass diese Glaswand uns immer trennen würde.
Und nun saß ich hier, gegen ihn gepresst, und wusste nicht mehr, wie ich den Sam der Vergangenheit und den Sam der Gegenwart miteinander in Einklang bringen sollte. Es war natürlich ein und dieselbe Person, aber den Sam von damals zu mögen, war eine sichere Angelegenheit gewesen. Den Sam von heute nicht.
Er konnte aus einer verschlossenen Zelle mit nichts weiter als Strohhalmen und Klebeband fliehen. Er hatte direkt vor meinen Augen Menschen getötet. Wie konnte ich denn für so jemanden etwas empfinden? Und was sagte es über mich aus, dass es so war?
Cas parkte den Wagen vor der Garage. Sam öffnete die Tür und stieg aus. Sofort fehlte er mir. Nick folgte ihm dicht auf den Fersen.
»Was haben die vor?«, fragte ich.
Cas trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad. »Überprüfen, ob die Luft rein ist.«
Stimmt, daran hatte ich ja gar nicht gedacht. Wenn Riley uns im Einkaufszentrum aufgespürt hatte, wie lange würde es dauern, bis er auch das Haus fand?
Ich beobachtete, wie Sam rechts von der Zufahrt im Wald verschwand. Im einen Augenblick war er noch zwischen den Bäumen zu erkennen, im nächsten war er fort. Ich hielt den Atem an, gefühlt die ganze Zeit. Als wenig später Trevs Handy zu klingeln begann, schreckte ich hoch.
»Alles sauber?«, fragte Trev. »Verstanden.« Er schob das Handy wieder in die Tasche. »Wir sind in Sicherheit.«
Ich atmete erleichtert auf.
Dank Nick prasselte schon ein Feuer im Kamin, als wir ins Haus kamen. Ich kroch auf einen der Sessel, zog die Beine unter mich. Die Wärme tat gut, obwohl mein aufgeschürftes Knie dadurch nur noch mehr brannte. Die Schürfwunde war nicht tief, aber trotzdem lästig. Außerdem war meine nagelneue Hose schon kaputt.
»Sprechen wir über die Pistolen«, sagte Nick, sobald alle im Wohnzimmer waren.
Sofort herrschte Grabesstille. Ich hatte das starke Bedürfnis, mich in die hinterste Ecke zurückzuziehen. Schließlich lag es mit an mir, dass die Waffen verloren gegangen waren.
Sam lehnte mit einer Schulter an der Wand zwischen den Fenstern, den Blick auf den Boden gerichtet. »Unbewaffnet können wir unmöglich weitermachen. Ich weiß, dass du Anna nur beschützen wolltest«, sagte er an Trev gerichtet, »aber dadurch können wir uns jetzt nicht mehr verteidigen.«
Trev kratzte sich am Hinterkopf. »Es tut mir leid. Aber die Tasche war das Erste und Einzige, das mir in den Sinn kam.«
Nick stand auf, streckte sich zu seiner vollen Körpergröße von 1,85 Metern. »Und auf die Idee, die Tasche aufzumachen und eine der Waffen zu benutzen, bist du nicht gekommen?«
»Hey, ist gut jetzt.« Cas stellte sich mit ausgestreckten Armen zwischen die beiden, als wollte er Nick bremsen, obwohl er sicher zehn Zentimeter kleiner war. »Wir können uns schließlich neue Waffen besorgen, nicht wahr, Sammy?«
Alle wandten sich Sam zu, der die Schultern hängen ließ. »Ja, natürlich. Aber die sind nicht im Budget vorgesehen. Noch dazu erregen wir nur unnötig Aufmerksamkeit, wenn wir rumrennen und uns
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