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Escape

Escape

Titel: Escape Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rush
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dir?«
    Ich blieb auf halbem Weg zwischen Schrank und Bett stehen. »Ganz in Ordnung. Nick und ich kommen nicht immer miteinander klar, aber ich schätze, das ist normal.«
    Sura nahm das Kissen entgegen, das ich ihr hinhielt, und schüttelte es auf. »Lass ihm Zeit. Vielleicht werdet ihr noch warm miteinander.«
    »Das bezweifle ich.«
    »Der Junge hat einiges mitgemacht. Er war schon so, als ich ihn kennengelernt habe. Nimm es einfach nicht persönlich.«
    Ich ging zurück zum Schrank und musste ein bisschen wühlen, bis ich zwei Decken gefunden hatte. »Wie meinen Sie das?«
    Obwohl Nick und ich uns nicht viel zu sagen hatten, war ich wahnsinnig neugierig auf sein Leben. Ich wollte ihn verstehen, irgendwie aus ihm schlau werden.
    »Nick kam zur Sektion«, erklärte Sura, »weil er nichts zu verlieren hatte. Er ist mit sechzehn von zu Hause weggegangen. Seine Mutter hat ihn und seinen Vater verlassen, als er gerade mal zwei war. Sein Vater war Alkoholiker. Er hat Nick geschlagen, wann immer sich eine Möglichkeit dazu bot.«
    Die Decken wurden plötzlich schwer in meinen Armen. War es das, was er in seinen Flashbacks sah? Seinen gewalttätigen Vater? Ich musste mich auf die Bettkante setzen, während mich Nicks Vergangenheit wie ein Schlag traf.
    »Nick ist, wie er ist, weil er es nicht anders kennt«, fügte Sura hinzu. »Das kann selbst eine noch so gründliche Gehirnwäsche nicht ändern.«
    Plötzlich ergab das, was er auf dem Friedhof zu mir gesagt hatte, mehr Sinn: Ich weiß vielleicht nicht mehr, wer ich früher war, aber ich wette, mir hat nicht immer die verdammte Sonne aus dem Arsch geschienen. Möglicherweise wusste er tief in sich drin immer noch, dass es manchmal besser war, manche Dinge nicht wieder ans Tageslicht zu befördern.
    »Und Sam?«
    Sura kam ums Bett herum zu mir und nahm mir eine der Decken ab. »Wieso er dazugestoßen ist? Seine Mutter hat ihn der Sektion zur Verfügung gestellt und die haben ihn nur zu gern angenommen.« »Ist das denn legal?«
    »Die kommen mit noch viel unglaublicheren Dingen davon, glaub mir.«
    Ich stand auf, damit sie das Bett machen konnte. »Wenn Sie so viel über die Vergangenheit der Jungs wissen, wieso erzählen Sie ihnen nichts darüber?«
    Auf ihrem Mund zeigte sich ein ironisches Grinsen. »Ich bin doch erst vor einer Stunde angekommen. Außerdem sprechen wir hier unter anderem von Sam. Der traut niemandem, nur sich selbst. Egal, was ich gesagt hätte, er hätte es sich nur unter Vorbehalt angehört.«
    Ich nickte, natürlich hatte sie recht.
    Dann half ich ihr dabei, die dicke Decke über der dünneren Baumwolldecke auszubreiten. Beide rochen so muffig wie der Schrank, doch sie würde sie brauchen, so sehr wie das Haus über Nacht auskühlte.
    »Nun, dann werde ich Sie mal allein lassen.«
    Sie legte den Kopf schief, während ich schon auf die Türe zusteuerte. »Anna?«
    »Hm?«
    »Ich sehe eine sehr willensstarke junge Frau in dir. Und du bist wunderschön. Ich wäre sehr stolz darauf, eine Tochter wie dich zu haben.«
    Mehr brauchte es nicht. Sofort sah ich wieder verschwommen und musste mit aller Kraft die Kiefer aufeinanderbeißen, damit meine Lippen nicht anfingen zu zittern. Obwohl ich ja wusste, dass es nicht stimmte, wollte ich einfach weiter daran glauben, dass sie meine Mutter war. Ich wollte sie nicht aufgeben.
    »Danke«, brachte ich noch hervor, bevor ich die Tür hinter mir schloss.

26  
    Wenig später am gleichen Abend zog ich mich in mein Zimmer zurück, streifte meine Schuhe ab und ließ mich aufs Bett fallen. Weil ich aus der feuerwarmen Hitze des Wohnzimmers in die Kälte meines Zimmers trat, bekam ich sofort eine Gänsehaut. Ich wickelte mich in die Decke ein und lauschte für einen Moment einfach den Geräuschen im und ums Haus. Dem Knarren der Dielen im Erdgeschoss, dem Rascheln der trockenen Blätter draußen.
    An diesem einen Tag hatte ich so viel erfahren. Meine Mutter war nicht meine Mutter. Sam hatte eine Freundin gehabt. Und Nick erschien mir in einem ganz neuen Licht. Mir fiel es schwer, all die neuen Informationen zu verarbeiten. Meine Welt stand ohnehin schon köpf.
    Ich schloss die Augen mit dem Gedanken, mich nur kurz aufzuwärmen, doch bevor ich weiterdenken konnte, war ich bereits eingeschlafen. Ich erwachte erst mitten in der Nacht wieder, die Decke war weggerutscht und meine nackten Füße hingen in der kalten Nachtluft. Mein erster Gedanke war, dass ich mich ins Labor zu Sam schleichen wollte. Es dauerte einen

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