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ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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zweimal umrundet hatte und mit den Worten »Desoderia cohaeresco Doreé« die Enden des Bandes miteinander verflochten hatte, entfaltete sich der Schmerz. Ein Ruck fuhr durch ihren Leib, als hätte jemand einen Angelhaken durch ihren Bauchnabel geschoben und würde nun an ihren Gedärmen reißen. Sie wusste, was geschah, hatte darüber gelesen, auch wenn sie es noch nie gesehen hatte. Die Nabelschnur, die sie einst mit ihrer Tochter verband, entstand erneut. Eine imaginäre Schnur, durch die alles, was ihre Tochter und sie taten und fühlten, floss, sich miteinander verband. Ihr Leben verknüpfte sich mit Doreés, so wie sie einst auch im Mutterleib miteinander verbunden gewesen waren. Sie zahlte mit winzigen Mengen ihres Blutes für diese Magie, die die Widerhaken aus ihr heraussaugten. Eis und Feuer rann abwechselnd über ihre Haut, entriss ihr ein gequältes Wimmern, das sie sich eigentlich hatte verkneifen wollen. Langsam verschmolz das Band mit ihrer Haut. Es fühlte sich an, als würde es ihr Fleisch zum Schmelzen bringen, um anschließend darin zu versinken. Um Teil ihres Körpers zu werden, wie ein zusätzliches Organ. Niemand würde es mehr entfernen können, nicht bis zum Zeitpunkt ihres Todes. Für immer wurde sie eins mit dem Band und ihrer Tochter. In ihrer Qual versuchte sie sich mit dem Gedanken zu trösten, dass, sollte die Vereinigung ihrer Tochter mit dem Manipulator gelingen, sie auch Teil der Macht werden würde, die der Verbindung innewohnte. Nach Minuten, die Desoderia wie eine kleine Ewigkeit erschienen, ließ das Zerren an ihren Eingeweiden nach und auch das Feuer in ihrem Fleisch. Sie keuchte und stützte sich an dem Pfosten ab, um nicht zu straucheln. Amir wirkte zufrieden. Die Verbindung stand.
    »Geh dich frisch machen und komm in meine Gemächer«, sagte er. Sein lüsternes Grinsen ließ keinen Zweifel daran, was er von ihr wollte. Bevor er den Keller verließ, wandte er sich noch einmal zu ihr um. »Besorg dir Eisentabletten«, sagte er mit einem Blick auf ihren Bauch, über den winzige Blutstropfen rannen. »Du wirst sie brauchen.«
    Laut lachend ging er davon.
     

 
     
     
     
19
     
    Ein kräftiger Ruck. Doreé fiel. Ohne Vorwarnung stürzte sie zu Boden, als hätte jemand an einer Schnur gezogen und sie umgeworfen. Entsetzt blickte sie zu David und Jaromir auf, die sofort herbeieilten, um ihr aufzuhelfen.
    Ein Bouquet an Empfindungen, dunkel und unheilvoll, floss durch sie hindurch. Angst, Schmerz, Hitze, Gier und ein Gefühl, dass sie nach ein paar Sekunden als Wollust definierte. Fremd fühlten sich diese Empfindungen an, wie etwas, das gegen ihren Willen in ihren Körper eingedrungen war, um ihre eigenen Empfindungen zu vertreiben.
    »Was geschieht mit mir?« Panisch presste sie eine Hand auf ihren Bauch, in dem es rumorte wie in einem aktiven Vulkan.
    David und Jaromir warfen einander einen besorgten Blick zu, bevor David sie unter den Armen fasste und ihr auf die Beine half.
    »Was ist?«, fragte Doreé, von einem zum anderen blickend.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte David statt einer Antwort.
    Wie sie sich fühlte? »Keine Ahnung«, antwortete sie wahrheitsgemäß. »Verwirrt, als würde jemand versuchen, meine Gefühle zu manipulieren oder in meine Gedanken einzudringen.«
    »Verdammt«, fluchte David. »Sie haben es tatsächlich getan. Wir müssen sofort Zeugnis ablegen.«
    »Wer hat was getan? Sprichst du von den Escortern?«
    David griff sich mit Daumen und Zeigefinger an die Nasenwurzel und schloss die Augen. »Okay, wir müssen Ruhe bewahren. Panik hilft jetzt niemandem.«
    Doreé runzelte die Stirn. Panisch war höchstens er selbst. »Was haben sie getan? Sag es mir!«
    »Haben Band geknüpft«, antwortete Jaromir an Davids statt. »Zwischen Mutter und Tochter. So sie finden dich.«
    »Ein Band geknüpft? Was bedeutet das?«
    »Ich erkläre es dir auf dem Weg«, versprach David. »Wir müssen unverzüglich los.«
    Jaromir humpelte zur Garderobe im Flur und warf sich sein Tweedjackett über, dass schon bessere Zeiten gesehen hatte, wie man an den ausgefransten Ärmelaufschlägen und den speckigen Stellen an Kragen und Ellenbogen erkennen konnte. David bot Doreé an, ihr eine Sweatjacke aus dem Gästezimmer zu holen, was sie jedoch ablehnte. Ihr war nicht kalt, im Gegenteil. Sie schwitzte wie vor einer Panikattacke.
    »David fahren, ich zeigen Weg«, sagte Jaromir an der Tür. Sie verließen das Haus, passierten die weiß getünchte Kirche und bestiegen Davids Volvo.

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