ESCORTER (German Edition)
und gefährlich ruhig. »Seit wann weißt du es? Und wage nicht, mich anzulügen!«
Desoderia wischte sich das Blut von den aufgeplatzten Lippen. »Seit der Geburt meiner Kinder.«
Er beäugte sie wie ein giftiges Tier, als könne er sich nicht entscheiden, ob er sie töten oder unterwerfen sollte. Drei Möglichkeiten blieben nun. Entweder würde er sie tatsächlich töten oder verbannen oder, und dies wäre die bestmögliche Variante, sie bestrafen und die Chance erkennen, die Doreés Herkunft bot. Das Schweigen dehnte sich aus wie eine giftige Wolke, vergiftete ihr Gemüt mit Hoffnungslosigkeit und Angst. Er wandte die Augen nicht ab, blinzelte nicht einmal. Desoderia sank auf die Knie und blickte flehend zu ihm auf, am ganzen Leib zitternd. Nichts blieb zu sagen als ein Winseln um Gnade. Erklärungsversuche würden ihn nur noch mehr erzürnen, denn was sie getan hatte, war schlicht und einfach Verrat. »Amir, bitte, vergib mir. Ich bin eine getreue Dienerin des Clans. Mein Escort ist stark und meine Tochter ist stark. Sie trägt mehr Dunkelheit in sich als Licht, ich habe es gesehen. Sie wird eine mächtige Escorterin werden und durch das Blut ihres Vaters wird sie die Speichellecker des Herrn vernichten. Wir müssen es mit ihr versuchen.«
Ihr Herz schlug, einmal, zweimal, dreimal.
»Also gut«, sagte Amir schließlich kalt. »Sie soll ihren Escort empfangen, doch wenn es schiefgeht, wirst du persönlich sie vernichten und zugleich auch dich, denn das Band wird trotz deiner Offenbarung geknüpft werden.«
Ein niederschmetterndes, aber gerechtes Urteil. Sie hatte es eingefädelt und musste dafür büßen, sollte der Versuch, Doreé mit dem Manipulator zu verbinden, scheitern. Amir befahl Oliver, das Band zu holen. Derweil trat seine Zwillingsschwester Olivia auf sie zu und half ihr auf die Füße. Vergeblich suchte Desoderia nach Mitgefühl in ihrem Blick.
»Zieh dich aus«, sagte sie.
Desoderia bezwang das Zittern ihres Körpers und richtete sich auf. Sie musste Haltung bewahren, so wie sie es immer tat. Was nutzte es, sich zu winden wie ein Wurm, wenn es nichts änderte? So langsam sie es wagte, entkleidete sie sich, faltete ihre Sachen ordentlich zusammen, bevor sie sie auf dem Boden ablegte. Die Unterwäsche aus roter Seide behielt sie an. Oliver kehrte zurück und brachte das in schwarzes Samt gehüllte Band. Mit einer ehrfürchtigen Verneigung reichte er es Amir, der es schmunzelnd entgegen nahm. Schon lange war das Band nicht mehr geknüpft worden, und Amir freute sich augenscheinlich darauf. Soweit Desoderia wusste, hatte Amir es noch nie knüpfen dürfen, seit er Clanchef geworden war. Er hielt das Samt in seinem ausgestreckten Arm und trat auf sie zu, langsam und bedächtig, jeden Augenblick genießend. Als er vor ihr stand, so nah, dass sie sein Aftershave riechen konnte, öffnete Oliver die Stoffbahnen und entblößte das Band. Hauchfein war es, viel feiner, als sie es sich vorgestellt hatte, und es schimmerte wie flüssiges Gold. Ein glänzendes, mit winzigen Dornen versehenes Gebilde. Mit einer Mischung aus Sorge und Faszination betrachtete Desoderia das stachelige Ding, dass sie zu einer Unfreien machen würde.
»Bist du bereit?«, fragte Amir mit sanfter Stimme. Sie hätte schwören können, einen Hauch Wollust herauszuhören.
Sprechen wollte sie nicht, um keine Schwäche zu zeigen, also nickte sie nur und reckte das Kinn in die Luft, zum Zeichen, dass sie weder betteln noch jammern würde. Ophelia, die in einer dunklen Ecke bei den anderen Dienern stand, wimmerte leise vor sich hin. Zumindest glaubte Desoderia, dass es sich um Ophelia handelte. Niemand sonst würde sich um sie sorgen. Vorsichtig ergriff Amir das Band, sorgsam darauf bedacht, nicht die Dornen zu berühren. Desoderia wusste warum. Sobald sie mit lebendigem Fleisch in Berührung kamen, gruben sie sich hinein und ließen nicht mehr los. Oliver nahm das leere Tuch. Desoderia breitete die Arme aus und konzentrierte sich auf einen Punkt im hinteren Teil des Kellergewölbes. Kalte Luft streichelte ihren Körper, verursachte ihr eine Gänsehaut.
Amir entfaltete das Band und hielt es in Höhe ihres Nabels an ihren Bauch. »Memento mori«, sagte er laut und deutlich. »Memento vivere.«
Das wiederholte er viele Male, während er langsam, in Zeitlupe fast, das Band um Desoderias Körper schlang. Zuerst spürte sie nichts außer einem winzigen Stechen, wie Akupunkturnadeln oder eine intramuskuläre Injektion. Erst nachdem Amir sie
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