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ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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allesamt einen ungepflegten Eindruck, selbst diejenigen, deren Kleider noch gut erhalten schienen. Die Haare hingen in verfilzten Strähnen vom Kopf, struppige, mit kahlen Stellen durchwirkte Bärte, Schmutz, der sich tief in die faltigen Gesichter gefressen hatte. Gebeugt unter einer unsichtbaren Last schlurften sie durch die Furchen, gingen alle paar Schritte in die Knie und gruben in der aufgeschütteten Erde. Nach was sie suchten, konnte Doreé nicht erkennen, denn ihre Hände blieben leer, ebenso ihre Gesichter. Das also geschah mit jenen, die sich nicht mit ihrem Escort verbunden hatten. Die Verzweiflung und das Elend, das diese Menschen ausstrahlten, raubte ihr alle Hoffnung. Niemals würde es ihr gelingen, diesen Ort zu verlassen oder auch nur Gäap zu finden. Hier würde sie enden. In der Höllenversion des Garten Eden.
    Reiß dich zusammen , schalt sie sich. Wenn du hier wieder raus willst, musst du einen kühlen Kopf bewahren.
    »Verzeihung«, sagte sie, verzweifelt darum bemüht, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. Die Menschen beachteten sie nicht, schlurften einfach weiter, knieten und gruben. Doreé versuchte es erneut, und als sie auch darauf nicht reagierten, wagte sie sich an eine kleine, dürre Frau mit mausgrauen Haaren und einem taubenblauen, tief ausgeschnittenen Kleid heran, das ihr mindestens zwei Nummern zu groß war. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen und die Haut spannte sich über ihren Schädel, als wäre sie am Hinterkopf festgezurrt worden. Spitz stachen die Knochen aus ihrem ausgemergelten Leib.
    »Entschuldigen Sie. Können Sie mir sagen, wo ich bin und in welche Richtung das Tor liegt?«
    Starr blickte die Frau an Doreé vorbei, fixierte einen Punkt am Horizont. Die Helligkeit schien ihr nicht das Geringste auszumachen, sie blinzelte nicht einmal. Ohne Vorwarnung knickten ihre Beine ein und im nächsten Augenblick kniete sie am Boden und wühlte ihre Finger in die Erde.
    »Was suchen Sie?«, fragte Doreé. Aus einer Eingebung heraus ging sie neben ihr in die Knie und griff eine Handvoll Erde. »Soll ich Ihnen helfen?«
    Nun endlich sah die Frau Doreé an. In ihren Augen ein stummes Flehen. Hilf mir , sagte der Blick.
    »Okay, ich helfe Ihnen. Nach was suchen wir?«, fragte Doreé schnell.
    Statt einer Antwort erhob die Frau sich und setzte ihren Weg fort. Doreé folgte ihr, wartete, bis sie erneut in die Hocke ging, und half ihr dann beim Graben. Zuerst fühlte sie nichts als die weiche Erde und kleinere Steine unter ihren Fingern, doch dann ertastete sie plötzlich etwas Runzliges, Festes. Angewidert zog sie die Hand zurück. Was war das? Die Frau neben ihr grub ungehindert weiter. Vorsichtig schob Doreé ihre Hände in die Erde zurück und tastete nach ihrem Fund, schloss ihre Finger um das Ding und zog es vorsichtig heraus. Ein schrumpeliges, rundes Etwas befand sich auf ihrer Hand, klein wie eine Pflaume, die Schale braun und runzlig. Es sah aus wie ein vertrockneter Apfel. Während Doreé noch ihren seltsamen Fund betrachtete, kam Leben in die Frau neben ihr.
    Sie richtete ihren Blick auf den Apfel, starrte ihn mit glänzenden Augen an wie einen eigroßen Diamanten. Ihr Atem ging hektisch, als wäre sie gerannt. Ihre dreckigen Finger näherten sich zitternd.
    Doreé hielt ihr den Apfel hin. »Ist es das, was Sie suchen?«
    Die Frau nickte. Ein glückliches Lächeln erhellte ihr Gesicht, das ein wenig verkrampft wirkte, so als hätte sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr gelächelt.
    Doreé ergriff ihren Arm und legte den Apfel in ihre Hand. »Sie können ihn haben. Hier.«
    Schnell wie eine Schnappfalle schloss sich die Hand der Frau um die Frucht, mit der anderen berührte sie ganz zart Doreés Wange, bevor sie nach Links deutete.
    »Ist das die Richtung, in die ich gehen muss?«, fragte Doreé.
    Die Frau nickte. Ihre Lippen öffneten sich zu etwas, was wohl ein Lachen sein sollte, und offenbarte dabei ungepflegte Zähne und eine leere, blutrote Mundhöhle. Sie hatte keine Zunge mehr. Doreé versuchte, sich den Schrecken nicht anmerken zu lassen, und erhob sich.
    »Ich danke Ihnen«, sagte sie, klopfte den Dreck von ihrem Kleid und ging in die Richtung davon, in die die Frau gedeutet hatte.
    Nach wenigen Schritten vernahm sie einen kehligen Schrei, gefolgt von weiteren Schreien und einer Vielzahl anderer Lauten. Stöhnen, Keuchen und Ächzen. Erschrocken blickte sie zurück. Die Frau humpelte die Furche entlang, die anderen Verlorenen verfolgten sie. Einige versuchten, ihr

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