Esel
und das Ufergluckern der Krassler sorgen für einen weiteren Schub an Glückshormonen. Es geht mir unverschämt gut.
»Ich hab echt gedacht, der dreht durch«, sagt Steffen.
»Ich bin froh, dass du nicht die Polizei gerufen hast.«
»Als ich euch in unseren Wagen hab’ steigen sehen, da hatte ich den Hörer schon in der Hand. Aber Gundula meinte, ich soll’s mal nicht übertreiben.«
»Ja, die Frauen. Manchmal haben sie wirklich den besseren Riecher.«
»Deine auch?«
»Karin?«
Steffen nickt. Ich überlege. Hat sie den besseren Riecher? Ich weiß es nicht. Sie hat eine wunderbare Intuition. Sie sieht Dinge kommen, die ich noch nicht mal verschwinden sehe. Karin spürt Schwingungen und Stimmungen besser als ich, keine Frage. Vielleicht hat sie wirklich einen besseren Riecher. Ja, ich glaube, den hat sie.
»Ich denke schon.«
Und jetzt, wo ich wieder einmal an sie denken muss, weil Steffen mich fragt, ist die Erinnerung an sie eine sehr angenehme.
»Liebst du sie?«
»Karin?«
»Oder die andere?«
»Es gibt keine andere.«
»Na dann … und?«
»Ja, ich liebe sie.«
»Wirklich?«
»Wirklich.«
»Vermisst du sie?«
Ich weiß es nicht, ich glaube nicht. In diesem Augenblick vermisse ich nichts. Obwohl, ich müsste sie doch gerade jetzt vermissen, so weit entfernt von ihr, an einem Ort, der mich durch nichts mit ihr verbindet, außer der Erinnerung an sie. Wenn ich sie jetzt nicht vermisse, wann dann. Am ersten Tag hier habe ich sie vermisst, das weiß ich ganz genau. Obwohl, weiß ich das wirklich so genau? Habe ich Karin vermisst oder nur die Erklärung, warum sie mich auf diese Reise geschickt hat, statt mit mir wie immer in den Süden zu fahren. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher.
Fakt ist: Wenn man voneinander getrennt ist, muss man sich auch vermissen. Das ist der Artikel 1 im Grundgesetz für die Frischverliebten. Das Vermissen unter und zwischen den Verliebten ist unantastbar.
»Nein«, sage ich jetzt, »ich vermisse sie nicht.«
»Aha.«
»Komisch, oder?«
»Was?«
»Ich vermiss’ Karin nicht.«
»Nein, das ist völlig normal.«
»Aber wenn man sich liebt, dann muss man sich doch auch vermissen.«
»Quatsch.«
Steffen schüttelt den Kopf und fährt nun fort.
»Dir geht es gut, und nur das zählt. Dir kann es auch gutgehen, ohne dass sie dabei ist. Und es gibt überhaupt keine Verpflichtung zum Vermissen, nur weil man sich liebt.«
»Kluge Worte, Steffen.«
»Findest du?«
»Schon.«
»Willst du noch ein Bier?«
»Gerne.«
Während Steffen uns noch ein Bier holt, muss ich mir etwas eingestehen. Seit Karin und ich zusammen sind, haben wir noch nie mehr als ein paar Tage getrennt verbracht. Und wenn, dann nicht freiwillig. Als ich im Krankenhaus lag, um mir den Verdacht auf eine mögliche Blinddarmreizung teuer bestätigen zu lassen, war ich nur in der Nacht allein. Tagsüber saß sie an meinem Bett, um mich zu trösten und um sich geduldig anzuhören, wie wenig leidensfähig ich bin. Als ich auf einer Fortbildung im Harz war, bin ich am zweiten Tag abgereist, weil Karin mir ein Alibi gegeben hatte, das wochenlang von Dr. Eckehardt angezweifelt wurde. Und als sie im vergangenen Herbst übers Wochenende zu ihren Eltern musste, weil deren Nachlass geregelt werden sollte, tauchte ich einen Tag später völlig überraschend bei ihren Eltern auf, obwohl ich mit dem Nachlass nichts zu tun hatte. Eigentlich waren wir also nie richtig getrennt gewesen. Wie soll man dann das Vermissen lernen?
Steffen öffnet ein frisches Bier und reicht mir die Flasche.
»Warst du schon mal verheiratet?«, will er von mir wissen.
»Ich bin es immer noch.«
»Ich meine, vor Karin?«
»Nein. Und du?«
»Gundula ist meine dritte Frau.«
»Nicht schlecht.«
»Gibt bessere.«
»Ich meinte das ironisch.«
»Ich nicht.«
Steffen meint jedes Wort so, wie er es sagt.
»Gundula und ich, wir sind nicht zusammen.«
»Seid ihr nicht verheiratet?«
»Das schon, das heißt aber nicht, dass wir auch automatisch zusammen sind.«
»Muss ich das verstehen?«
»Nö. Gundula und ich, wir mögen uns einfach sehr. Ich kann mir keinen besseren Menschen auf der Welt vorstellen, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringe, aber mehr eben nicht.«
»Ich finde das schon eine ganze Menge«, sage ich.
»Ja, das ist eine ganze Menge. Wenn da jetzt auch noch Liebe im Spiel wäre, wäre es ein Traum, das Optimum.«
»Habt ihr Sex, oder ist das zu indiskret?«, frage ich sehr vorsichtig.
»Klar haben wir
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