Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Esel

Esel

Titel: Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
Vom Netzwerk:
bei einem Mord?«
    »Genau.«
    O Gott, dieses Thema wollte ich mir eigentlich ersparen. Und jetzt diskutiere ich mit einem Gewalttäter mitten in der Nacht, irgendwo in der Uckermark, in einem Kaff namens Halverscheid, von dessen Existenz ich bislang absolut nichts wusste, über den Unterschied zwischen einer Ordnungswidrigkeit und einer Straftat.
    Wahnsinn! Wahnsinn! Wahnsinn!
    »Sollen wir Hilde anzeigen?«, schlägt Markus vor. Die plötzliche Begeisterung in seiner Stimme ist unüberhörbar.
    Ich habe anscheinend den richtigen Nerv bei ihm getroffen, jetzt muss ich nur noch nachlegen. Ganz offensiv, denn Markus ist kein Freund von Zwischentönen, die er dann garantiert falsch interpretiert. Einer wie Markus braucht den Gong auf die Zwölf.
    »Ja, das ist eine gute Idee, Markus! Das ist eine ganz ausgezeichnete Idee. Wir zeigen die an, wir machen die fertig. So geht das nicht. Da hast du vollkommen recht. Wenn diese wilde Hilde hier oder wie auch immer die hier heißen mag, wenn dieser Imbissfreak aus … aus … aus …«
    »Halverscheid«, ergänzt Markus.
    »… aus Halverscheid, exakt! Wenn Hilde glaubt, mit so einer Missachtung der Vorschriften durchzukommen, dann haben sie aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. So nicht! Nicht mit uns! Was, Markus?«
    Es ist wirklich sehr dunkel, aber das ungläubige Gesicht von Markus kann ich trotzdem gut erkennen.
    »Willst du mich verarschen?«
    »Wie?«
    »Wir sollen diese Hilde anzeigen, nur weil kein Schild an diesem Imbiss-Bums ist?«
    »Weswegen wir nicht anrufen können«, insistiere ich, wohl wissend, wie sinnlos es ist.
    »Du hast echt Phantasie. Echt, muss man dir lassen.«
    Markus schüttelt den Kopf und wechselt wieder die Blickrichtung ins Nirgendwo.
    »Da buchten die mich ein, weil ich einem die Tröte weggeblasen hab’, und dann zeig’ ich Jahre später jemanden an wegen Ordnungswidrigkeit. Du bist echt gut, Björn.«
    »Wie meinst du das jetzt?«
    »Wir gehen da jetzt rein«, sagt Markus sehr bestimmend.
    »Markus, warte, ich kann da nicht mit rein.«
    »Schiss?«
    »Auch.«
    »Was denn noch?«
    Was soll ich jetzt sagen, die Wahrheit? Das wäre Selbstmord. Die halbe Wahrheit? Das wäre eine Option.
    »Ich bin Beamter.«
    »Was bist du?«
    »Beamter.«
    »Na und? Wo ist das Problem?«
    »Wenn ich da jetzt reingehe, dann bin ich die längste Zeit Beamter gewesen. Einbruch! Verstehst du? Das ist eine Straftat.«
    »Gut, dass du mich daran erinnerst.«
    Meint der das ernst? »Meinst du das ernst?«
    »Nein, natürlich nicht. Meinst du, ich weiß nicht, was ein Einbruch ist? Meinen ersten Einbruch habe ich gemacht, da konnte ich noch nicht mal schreiben.«
    Ich hoffe, dass er es mittlerweile gelernt hat. Sicher bin ich mir nicht.
    »Okay. Von mir aus musst du nicht mit rein. Ich zieh’ das allein durch.«
    »Danke, das ist echt total nett. Danke!«
    »Dafür nicht.«
    Markus schaut sich um, auf der Suche nach einem Ast, einem Werkzeug oder etwas anderem, mit dem er das lächerliche Schloss von Hildes Wildem Schnitzelparadies knacken kann.
    »Eine Frage noch. Nur mal angenommen, die erwischen uns«, sagt Markus.
    Dich. Hier geht es nicht um uns –
ich
stehe ja nur Schmiere, präzisiere ich in Gedanken.
    Markus schweigt, unerträglich lange. Was soll ich jetzt sagen, eine richtige Frage hat er ja nicht gestellt.
    »Ja?«, frage ich zögerlich, in der Hoffnung, damit weiter Zeit schinden zu können.
    »Was machst du dann?«, fragt Markus.
    Mit dieser Frage habe ich gerechnet.
    »Keine Ahnung.«
    »Verpfeifst du mich, oder nimmst du die Schuld mit auf dich?«
    Was für eine Frage? Was für eine Schuld? Ich trage keine Schuld. Ich bin Opfer. Der Täter bist du!
    »Ehrlich gesagt, habe ich mich mit dieser Frage noch gar nicht so beschäftigt. Schwer zu sagen, wie man reagiert, wenn man so was wie hier noch nie gemacht hat. Das ist für mich alles totales Neuland. Versteh mich nicht falsch. Einbrüche und so was, das kenne ich nur aus dem Fernsehen. Und selbst da schau’ ich am liebsten normale Filme, ohne Einbrüche, meine Frau, die guckt gerne Krimis, aber ich guck’ mehr so –«
    »Hör auf zu quatschen. Klare Frage, klare Antwort, okay?«
    »Okay!«
    »Also?«
    Ich werde auf keinen Fall die Schuld auf mich nehmen. Ich werde die Wahrheit sagen, dass ich genötigt wurde, dass ich eine Scheißangst hatte und deshalb gar keine andere Wahl, als hier mitzumachen. Niemand wird mir daraus einen Vorwurf machen. Markus wird die Verantwortung für diese

Weitere Kostenlose Bücher