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Esel

Esel

Titel: Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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nicht mein Problem. Was aus ihnen wird – nicht mein Thema. Warum sie in der Schule versagen – muss man andere fragen, nicht mich. Und jetzt versuche ich hier in Halverscheid das Schlimmste zu verhindern, damit Markus aus dieser Nummer einigermaßen sauber rauskommt. Gut, ich hänge mit drin, aber ich werde jedem Richter erklären können, dass ich keine andere Wahl hatte. Und der Richter wird mir glauben. Ich bin Beamter.
    Markus wartet noch immer auf eine Antwort von mir. Und ich muss ihm eine geben, und das nicht nur, damit er endlich den Lichtkegel der Taschenlampe aus meinem Gesicht nimmt, das er anstrahlt, um meiner Antwort einen würdigen Rahmen zu geben. Markus kann sehr hartnäckig sein – und nachtragend.
    »Ja, ich mache mir Sorgen.«
    »Das gibt’s doch nicht.«
    »Wieso?«
    »Ich fass’ es nicht, der macht sich Sorgen.«
    Markus dreht sich von mir weg und spricht in eine Richtung, wo niemand ihn hören kann.
    »Was ist denn daran so ungewöhnlich?«
    Markus wendet sich mir wieder zu.
    »Um mich macht sich nie einer Sorgen.«
    Jetzt wird er bestimmt wieder sentimental. Egal, von mir aus soll er lieber wieder heulen, als mit mir in Hildes Wildes Schnitzelparadies einzubrechen.
    »Was machst du, wenn ich jetzt trotzdem da reingehe?«, will Markus nun wissen, statt zu heulen, was ich wirklich eindeutig besser fände.
    »Was soll ich denn machen?«
    Damit habe ich ihn überfordert, ganz eindeutig. Mit dieser Frage hat er nicht gerechnet. Doch da täusche ich mich. Markus präzisiert: »Machst du dir nur Sorgen, oder machst du auch was anderes?«
    »Soll ich dich festhalten, oder wie?«
    »Das würde ich dir nicht raten.«
    Verstanden, das war eine Gewaltandrohung. Kenne ich. Auf so etwas darf man sich nicht einlassen, jedenfalls nicht unmittelbar. Wozu ist man Lehrer, es gibt andere Möglichkeiten, auf einen gewaltbereiten Menschen zu reagieren. Leider kann ich aber Markus’ Eltern weder einen Brief schreiben noch sie zu mir zitieren. Ich kann von Markus auch nicht verlangen, die Klasse zu wiederholen. Ich merke schnell, dass ich mich hier auf völlig neuem Terrain befinde. Kaum hat man als Lehrer den Schulhof verlassen, wird man angreifbarer denn je.
    Ich hole einmal tief Luft, spüre dabei den Anflug eines kleinen Herpesbläschens, weil ich beim Luftholen noch einen kurzen Blick auf das Schnitzelparadies geworfen habe, dann wechsle ich meine Taktik.
    »Okay, ich versuche es mit Argumenten«, sage ich, ohne mir darüber im Klaren zu sein, welche Argumente ich da konkret im Kopf haben könnte.
    »Dann beeil dich, ich hab’ Hunger.«
    Hunger macht ihn unruhig, ich darf jetzt nicht auf Zeit spielen. Gib Gas, Björn.
    »Muss es denn unbedingt ein Hühnchen sein, Markus?«
    »Die Zeit läuft.«
    Verstehe, die Hühnchennummer ist nicht diskutabel. Sein Essenswunsch ist so fix wie Artikel 1 des Grundgesetzes.
    »Wir rufen diese Hilde an und fragen sie, ob sie noch mal aufmacht.«
    »Wie willst du das denn machen? Du kennst diese Hilde doch nicht mal.«
    »Kein Problem. An jedem öffentlichen Imbiss muss ein Schild angebracht sein, das den Namen, die Anschrift und eine Telefonnummer des Geschäftsführers verrät.«
    »Du meinst, so ein Bums hier hat einen Geschäftsführer, und der heißt Hilde?«
    Das Gespräch läuft, und noch habe ich es unter Kontrolle.
    »Hilde oder nicht, jeder Laden hat einen Geschäftsführer, ich meine, im juristischen Sinne.« Meine Stimme klingt nun schon wieder ziemlich souverän.
    Da landet auch schon wieder der Lichtkegel der Taschenlampe in meinem Gesicht.
    »Na dann, sieh zu.« Markus gibt mir die Taschenlampe, damit ich das Schild finde.
    »Die Zeit läuft.«
    Der Hinweis wirkt nicht motivierend, zumal ich sehr schnell feststellen muss, dass Hildes Wildes Schnitzelparadies alles hat, nur kein Schild. Und so langsam wird mir klar, wie bescheuert die Idee ist, den Geschäftsführer oder diese Hilde zu bitten, für uns noch mal den Imbiss zu öffnen.
    Pro forma gehe ich einmal um das gesamte Schnitzelparadies herum, was nicht lange dauert.
    »Und?«, will Markus wissen, nachdem ich meinen Rundgang beendet habe, »hast du die Nummer?«
    »Nein.«
    »Ich dachte, jeder Laden muss so ein Schild haben.«
    »Dieser Laden offensichtlich nicht.«
    »Ist das eine Straftat?«
    »Nein, das ist eine Ordnungswidrigkeit.«
    »Wo ist denn der Unterschied?«
    »Keine Ahnung, ich vermute mal, dass bei einer Ordnungswidrigkeit keine kriminelle Energie dahintersteckt.«
    »Wie zum Beispiel

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