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Eselsmilch

Eselsmilch

Titel: Eselsmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Mehler
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Bauer schwieg.
    Leni
versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, die von den beiden ein wenig
durcheinandergewirbelt worden waren.
    Da
begann Mari wieder zu sprechen: »Eigentlich wollt ich ja den Hans fragen, ob er
was Genaueres über das Unglück weiß.« Sie deutete aus einem der Fenster in
Richtung des Rot’schen Hauses. »Seine Alte ist ja auch dabei. Aber heute Mittag
ist mir eingefallen, dass die ja weg ist aus Erlenweiler, weg vom Hans. Da bin
ich zum Klein-Bauern. Wir kennen uns ja schon von Kind an.«
    »Freilich,
freilich«, warf der Bauer schnell ein. »Die Mari stammt ja vom Birkdorfer
Wirtshaus ab. Da haben wir im Hinterzimmer die ersten Kippen geraucht und die
ersten …« Er brach ab, räusperte sich und fuhr hastig fort: »Aber sie hat
ja dann von einem Tag auf den andern am Bogenberg eingeheiratet, ist nicht mehr
oft aufgetaucht in der Gegend, außer vielleicht wenn Schützenball war.«
    Die
Schützen! Leni hatte sich bereits gefragt, woher Mari – sie hieß wohl
nicht »Fuchs« wie ihre Tochter, die ja offenbar verheiratet oder zumindest
verheiratet gewesen war – Hans Rot kannte. Einen Moment lang fragte sie
sich auch, weshalb Mari so abfällig von ihrer Mutter sprach, bis ihr einfiel,
dass »seine Alte« auf dem Land eine so gut wie normale Bezeichnung für eine
Ehefrau war.
    Mari
hatte inzwischen erneut ihr Stamperl geleert und sagte nun entschlossen: »Aber
den Hans werde ich trotzdem aufsuchen, jetzt erst recht. Er soll ruhig
erfahren, dass seine entschwundene Alte mit der gleichen Gruppe unterwegs ist
wie sein Patenkind, von dem sie nie was hat wissen wollen.«
    Leni
schnappte nach Luft. Melanie war Hans Rots Patenkind? Und Melanies Mutter hatte
offensichtlich keine Ahnung davon, dass Leni – laut Geburtsregister
jedenfalls – Hans Rots Tochter war und damit auch die von Fanni Rot, über
die sie sich nun wohl doch eindeutig abfällig geäußert hatte. Wie betäubt
kippte Leni ihr Stamperl weg. »Ihr seid verwandt, ähm – du und Hans Rot?«
    Mari
schüttelte den Kopf. »Aber fast wären wir es geworden.«
    Leni
merkte, dass der Bauer anfing, unruhig auf seinem Stuhl hin- und herzurutschen.
Für einen Moment schien es, als wolle er sich einmischen, um Mari am
Weiterreden zu hindern. Anscheinend war auch ihm aufgegangen, dass Mari nicht
wissen konnte, wen sie in Leni da vor sich sitzen hatte. Doch anscheinend überlegte
er es sich anders, trank seinen Schnaps aus und glotzte die Tischplatte an.
    Da
sagte Mari: »Es stimmt gar nicht, was der Bauer erzählt, dass ich vom
Elternhaus in Birkdorf weg gleich ins Wirtshaus am Bogenberg eingeheiratet
habe. Nein, das stimmt nicht, da waren noch zwei Jahre dazwischen. Während
dieser Zeit bin ich in Regen beim Falterbräu als Bedienung angestellt gewesen,
und da habe ich den Hans kennengelernt.« Sie seufzte auf. »Der Hans hat damals
bei Rodenstock-Optik gearbeitet und ist jeden Dienstag zum Stammtisch ins
Falterbräustüberl gekommen. Er war so ein fescher Kerl.«
    Wehmütig
schaute Mari in ihr Schnapsglas, als hoffte sie, das Bild eines verjüngten Hans
Rot darin zu sehen. »Aber es ist ja im ganzen Landkreis bekannt gewesen, dass
er vergeben war.« Sie seufzte noch mal. »Mit Haut und Haaren vergeben. Nie
hätte ich gedacht, dass er auf einmal zu haben sein könnte, bis er eines Tages
vollkommen geknickt am Stammtisch erschienen ist, weil ihn seine Flamme hat
sitzen lassen.« Mari seufzte ein drittes Mal. »Wir haben so eine schöne Zeit
miteinander gehabt, ich und der Hans.« Sie verstummte und blieb still.
    Leni
wagte es nicht, die Frage zu stellen, die sich bei Maris letzten Worten wie ein
Erdbrocken auf sie gewälzt hatte.
    Der
Bauer sprach dem Schnaps zu.
    Endlich
brach Mari das Schweigen. »So eine schöne Zeit. Aber dann ist aus heiterem
Himmel seine alte Flamme wieder aufgetaucht. Vierzehn Tage später haben sie
geheiratet.«
    »Und
Melanie?«, krächzte Leni.
    »Melanie«,
sagte Mari, »ist ein Jahr später auf die Welt gekommen. Da bin ich aber schon
mit dem Wirt vom Bogenberg verheiratet gewesen.« Als sie weitersprach, erschien
ein Lächeln auf ihren Lippen. »Wie es der Zufall wollte, waren mein Sepp und
der Hans Schützenkameraden. Und weil ich ihn immer noch recht gern gesehen
habe, den Hans, hab ich ihn gefragt, ob er Taufpate von der Melanie werden
will. Und wisst ihr was? Er hat sich gefreut.«
    Mari
nickte bestätigend vor sich hin. »Eine schöne Tauffeier ist es gewesen. Bis in
die Nacht hinein sind wir beieinandergesessen.

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