Eselsmilch
Das Buchsteiner-Trio hat die
alten Weisen gesungen, und mein Sepp hat dazu auf dem Akkordeon gespielt.« Das
Lächeln verschwand, wich einem bitteren Zug um den Mund. »Das halbe Dorf und
viele Leute von auswärts sind gekommen. Nur die Alte vom Hans hat sich keine
Minute lang sehen lassen.«
Mari
machte eine wegwerfende Geste. »Freilich, ein paar Wochen zuvor hat sie
Zwillinge entbunden gehabt – Siebenmonatskinder –, deshalb hat sie
angeblich nicht fortkönnen von daheim. Aber ich bin mir sicher, dass sie das
damals bloß als Vorwand genommen hat. Die wollte nichts zu tun haben mit uns.«
Resigniert
hoben sich ihre Schultern. »Wir haben sie auch später nie zu sehen gekriegt,
und eingeladen sind wir erst recht nicht worden. Auch die Melanie nicht, kein
einziges Mal. Dabei waren doch unsere Kinder fast genau gleich alt. Die hätten
doch schön miteinander spielen können.« Erneut machte Mari eine geringschätzige
Bewegung. »Aber was hilft das ganze Hin- und Herreden. Die Alte vom Hans wollte
nicht, und damit basta. Und von ihm haben wir dann auch nicht mehr viel
gesehen. Er war zwar noch auf der Beerdigung vom Sepp, aber auf der Hochzeit
von der Melanie …«
Nach
ein paar Sekunden Schweigen fuhr sie fort: »Aber ich will nicht ungerecht sein.
Seit siebenunddreißig Jahren taucht der Hans jedes Jahr an Weihnachten und am
Geburtstag von der Melanie kurz auf und bringt ihr Geschenke.« Ein Schmunzeln
stahl sich in Maris Gesicht. »Die Melanie lässt über ihren Onkel Hans nichts
kommen.«
»Bauer,
Bauer!« Ivo stürmte in die Stube. »Bei der Resi ist es so weit. Wir brauchen
dich zum Ziehen. Die Resi kälbert doch immer so schwer.«
Ivo
blinzelte Leni zu, packte die Schnapsflasche und stellte sie in die Vitrine.
Leni
begriff. Nicht die Sorge um das Kalb hatte Ivo in die Stube getrieben – es
war vermutlich längst geboren –, sondern die Befürchtung, am Abend statt
des Großvaters eine Schnapsleiche vorzufinden.
Mama
hat recht, dachte Leni, Ivo ist gewitzt, umsichtig und aufmerksam. Die Leute
von Erlenweiler werden noch staunen.
Sie
erhob sich. Mari stand ebenfalls auf. Bauer Klein war bereits auf dem Weg zur
Tür.
»Die
Resi, ja, die Resi«, brabbelte er. »Wie viel Kälber hat uns die Resi jetzt
schon …?« Plötzlich drehte er sich um und sah Leni scharf an. »Sag einmal,
Lenerl, wie alt bist du jetzt? Wird es nicht langsam Zeit? Zum Kinderkriegen,
meine ich. Der Hans hätte bestimmt gern noch ein paar Enkel.«
Damit
war der Bauer aus der Tür, und Mari ließ sich mit einem Platscher wieder auf
ihren Stuhl fallen.
Leni
holte die Schnapsflasche aus der Vitrine und goss ihnen beiden ein.
11
»Oho,
Memsahib geruht ihren Thé à la menthe im noblen Kasbah-Hotel zu nehmen«, rief
Hubert. Er hatte soeben zusammen mit Dora den Salon betreten und Fanni samt
Sprudel zwischen den bunten Kissen des Sofas erspäht.
Das
Lächeln um Doras Lippen wirkte, als müsse es vertuschen, dass die freigelegten
Zähne lieber zuschnappen würden. »Hubert schleppt mich von einer Kaschemme zur
andern, weil er einfach nicht glauben will, dass im ganzen Ort nirgends Bier
ausgeschenkt wird.«
»Hier
in Aroumd, wo es vermutlich mehr Touristen gibt als Einheimische«, beschwerte
sich Hubert, »sollte man doch damit rechnen können, ein gepflegtes Bierchen mit
einem hübschen weißen Schaumkrönchen zu bekommen.«
»Auf
dem Land werden die Gebote des Islam halt noch ganz strikt eingehalten«,
entgegnete Dora.
»Gebote
des Islam, bla, bla, bla«, regte sich Hubert auf. »Wir befinden uns hier in
einem Kasbah-Hotel unter französischer Führung. Schon vergessen, was die Knorr
erklärt hat: ›Eine Kasbah ist eine Enklave, eine Stadt innerhalb der Stadt, da
machen die ihre eigenen Regeln.‹«
»Eben«,
sagte Dora unwirsch.
Sie
wirkt so angesäuert! Haben die Seegers mittlerweile etwa auch Zoff, wie die
Brügges? So, wie Hubert sich dauernd aufführt, wäre es ja auch kein Wunder,
wenn Dora mal auf den Tisch hauen würde!
»Thé
à la menthe?« Ein Kellner war an Hubert herangetreten.
Hubert
schnaubte. »Ich will was zu trinken haben, kein Pfefferminz-Lutschbonbon.«
Dora
bestellte zwei NusNus.
»Was
treibt ihr beiden denn hier?«, wandte sich Hubert an Sprudel. »Seid ihr auch
auf der Suche nach einem kühlen Flak gewesen?«
Sprudel
blieb die Antwort erspart, weil der Kellner bereits mit zwei kleinen Bechern
aus dickwandigem Glas zurückkam. Er setzte sie auf dem Tisch vor Fanni und
Sprudel ab.
Dora
schob
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