Eselsmilch
gestochen wäre, als ich vor Wochen die Teilnehmerliste zugeschickt
bekam.«
Hm,
die liebe Gisela kam aber wohl erst nach einem deutlichen Hinweis seinerseits
auf den Trichter! Und an seinen Namen hat sie sich schon gar nicht erinnert!
Verflixt noch mal, das würde ich aber eine echte Schwachstelle nennen!
Bernd
hatte sich von Fanni ab- und Gisela zugewandt, die rechts neben ihm saß und
anscheinend wissen wollte, was es mit Fanni andauernd zu flüstern gab.
Fanni
nahm sich indessen zwei der mit Zimt bestreuten Orangenscheiben von der Platte,
die Sprudel ihr reichte.
Wie
sich Gisela wohl diesmal entscheiden wird?, überlegte sie. Inzwischen scheint
Bernd ja recht wohlhabend zu sein, hat womöglich einen guten Namen in der
Branche. Und nach allem, was mittlerweile bei den Stolzers geschehen ist,
könnte Gisela jetzt …
»Den
Nachmittag heute habt ihr zur freien Verfügung«, sagte Elke in Fannis Gedanken
hinein. »Wer mag, kann einen Rundgang durchs Dorf machen oder zum Fluss
hinüberschlendern. Dort gibt es einen netten kleinen Wasserfall. Wer nicht
herumlaufen will, kann sich hier im Innenhof aufhalten oder im Salon.«
Fanni
und Sprudel verständigten sich ohne Worte und standen auf. Sie wollten nun
endlich zum Kasbah-Hotel hinuntergehen und versuchen, Leni über dieses
Skype-Programm zu erreichen.
Eilig
machten sie sich auf den Weg.
Der
Rezeptionist des sehr nobel erscheinenden Hotels, dem Sprudel auf Französisch
sein Anliegen vorbrachte, zeigte sich überaus entgegenkommend. Er führte sie in
einen kleinen Raum, rückte ihnen vor dem Computertisch zwei Stühle zurecht,
reichte Sprudel ein Headset und war ihm sogar noch dabei behilflich, die
Verbindung herzustellen. Als Leni auf dem Bildschirm erschien, verließ er
taktvoll den Raum. Sprudel gab Fanni das Headset.
Leni
lächelte, winkte, fragte kurz, wie es Fanni und Sprudel ging, und begann dann
zu berichten: »Bernd Freise ist selbstständig und wird hauptsächlich von Firmen
gebucht, die in großem Stil mit maschineller Produktion arbeiten. Er scheint
sehr gefragt zu sein. Geboren in Hamburg, Schule und Studium in Hamburg, ein
Auslandssemester in Colorado, Büro und Wohnung in Hamburg; unverheiratet, keine
ersichtlichen Beziehungen zu Martha oder der Familie Stolzer, auch nicht zu
eurer ehemaligen Bergsteigergruppe.«
Tja,
amouröse Abenteuer erscheinen in Lebensläufen wohl äußerst selten! Und nicht
jede geschäftliche Beziehung kann darin erwähnt werden.
Fanni
hatte ihre Tochter gebeten, insbesondere auf Verbindungen zu der
Bergsteigergruppe zu achten, der Martha, die Stolzers und sie viele Jahre lang
angehört hatten. Es war ihr als einzige Möglichkeit erschienen, sich selbst ins
Spiel zu bringen.
Und
falls, hatte sie gedacht, bei Marthas Unfall doch keine Verwechslung vorlag,
ist dort der ursprüngliche Schnittpunkt zwischen mir und Martha zu finden.
Der
Gedanke, Leni darum zu bitten, besonderes Augenmerk aufs Bergsteigen zu
richten, war Fanni am Mittwochabend in Ouaneskra gekommen. Aus heiterem Himmel
war ihr eingefallen, dass irgendwann in den Achtzigern bei einem Steinschlag
unterhalb der Südspitze des Watzmann ein Mann ums Leben gekommen war. Wer oder
was den Steinhagel ausgelöst hatte, war seinerzeit nicht festzustellen gewesen,
doch eines war sicher: Ihre Gruppe hatte sich ziemlich genau oberhalb der
Unglücksstelle befunden.
Kann
man denn ausschließen, hatte sich Fanni gefragt, dass dieser Mann einen Sohn
oder eine Tochter hatte und dass dieses Kind jetzt Rache nehmen will?
»Otto
Brügge«, sagte Leni gerade. »Lehrer in einem kleinen Kaff in Franken.
Ausgebildeter Sanitäter und ehrenamtlich bei der freiwilligen Feuerwehr und ein
paar Vereinen tätig. Als ich entdeckte, dass er in Zwiesel Abitur gemacht hat,
habe ich mir die Jahresberichte des Gymnasiums von 65 bis 70
durchgesehen.«
Leni
redete schnell, als hätte sie Angst, unterbrochen zu werden.
Nicht
zu Unrecht, dachte Fanni.
Die
Verbindung kam oft ins Stocken, mal war das Bild weg, mal der Ton. Fanni
hoffte, dass ihre Tochter zu Ende berichten konnte, bevor der Kontakt völlig
abriss.
Leni
redete immer schneller.
Sie
wird wohl ihre Erfahrungen gemacht haben mit diesem Skype! Bestimmt skypt sie
zweimal täglich mit Marco!
»Brügge,
Otto, Jahrgang 1952«, sagte Leni gerade. »Er taucht in etlichen von den
Jahresberichten auf, offenbar war er zwei Klassen unter dir, Mami.«
Der
Bildschirm flackerte, im Headset rauschte und knackte es. Dann war Leni wieder
da, und
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