Eselsmilch
als Täter ebenfalls nicht völlig ausgeschlossen
werden konnten, und bezog sogar Elke in seine Auflistung ein.
Falls
überhaupt jemand echte Alibis für die Tatzeitpunkte hatte, dann waren das Olga,
Gisela und Bernd.
Olga
und Gisela hatten Fanni geschildert, wie Martha das Café verlassen hatte, und
sich damit gegenseitig bezeugt, dass sie selbst am Tisch sitzen geblieben
waren. Abends war Gisela mit Bernd in der Bar gewesen – und zwar
sturzbetrunken, das hätte Fanni schwören mögen. Während des Muliangriffs hatten
sich Olga, Gisela und Bernd im Speisezelt befunden.
»Und
wer, zum Kuckuck, kommt nun an allererster Stelle als Täter in Frage?«, rief
Melanie.
Fanni
und Sprudel schauten eine Weile auf ein schmales Rinnsal, das unter einem der
Steine am Ufer hervorkam, einen kleinen Bogen beschrieb und wieder versickerte,
dann sahen sie Melanie an.
Sie!
Sie ist die Einzige, die alle Anschläge verübt haben
könnte! Sie ist immer eigene Wege gegangen, und als ihr Motiv offenkundig wurde,
lieferte sie die schauspielerische Darbietung ihres Lebens!
Melanie
presste sich beide Hände auf den Mund.
Fanni
warf einen kurzen Blick zu Sprudel hinüber. Hatte er mit diesem Ergebnis
gerechnet? Hatte er absichtlich das Gespräch auf Beweise und Indizien gebracht,
um Melanie mit dem Resultat konfrontieren zu können?
Von
der Brücke her ertönte lautes Hupen.
Fanni
schaute flussabwärts und sah die Reisegruppe in einen Touristenbus einsteigen.
Rasch griff sie nach ihrem Rucksack und erhob sich.
Melanie
war bereits vorausgeeilt.
20
Wegen
der langen Fahrtunterbrechung erreichte die Reisegesellschaft ihr Etappenziel
Merzouga erst gegen sieben Uhr abends.
Elke
bat darum, in den Zimmern nicht lange herumzutrödeln. »In zehn Minuten erwarte
ich euch zum Abendessen.«
»Hier
am Erg Chebbi breiten sich die größten und höchsten Dünenfelder Marokkos aus«,
erzählte sie dann bei Hühnchen-Tajine im luxuriösen Speisesaal des Gästehauses.
»Morgen früh werden wir eine der Randdünen besteigen und von dort oben aus
zusehen, wie über der Wüste die Sonne aufgeht. Wir werden den Wüstenwind
spüren, die Kälte der Nacht fühlen und fast übergangslos die sengende Sonne.
Wir werden die Wüste erleben.«
Als
hätte die Vision von Sand und Sonne längst verloren geglaubte Lebensfreude
entzündet, herrschte plötzlich eine fast ausgelassene Stimmung in der Gruppe.
Sogar die Brügges beteiligten sich an den Tischgesprächen.
Es
war vermutlich Hubert Seeger, der irgendwann davon anfing, wie hinterfotzig
Stute und Eselin bei der Züchtung von Mulis hintergangen wurden. »Vom Tricksen
und Bescheißen verstehen sie eine ganze Menge, die Beraber. Da macht ihnen
keiner was vor.«
»Aber
schau dir an, was ihnen der kleine Bluff für einen großen wirtschaftlichen
Nutzen einbringt«, gab Bernd, der Schwachstellenanalytiker, zu bedenken.
»Gutmütige, geländegängige Lasttiere, unersetzbar in den schwer erreichbaren
Bergregionen. Ohne die Mulis würde der marokkanischen Wirtschaft ein wichtiger
Faktor fehlen.«
»Ja,
die allgewaltige Wirtschaft«, meinte Otto spöttisch, »was wäre sie ohne Sex,
ohne Puff, ohne Kuppelei, ohne Lug und Betrug?«
»Ausgeweidet?«,
fragte Hubert lachend.
Kalauer
flogen hin und her.
In
eine kurze Stille hinein sagte Gisela: »Wir haben ja auf unserer Reise alle
möglichen Werkstätten besucht, haben Kosmetikartikel aus Rosenblättern und aus
Arganöl kaufen können. Aber warum ist uns nirgendwo das kleinste Produkt aus
Eselsmilch angeboten worden?«
Hubert
feixte. »Du bringst da was durcheinander, Gisela. Kleopatra hat meines Wissens
seinerzeit in Stutenmilch gebadet.«
Antje
kicherte, verstummte jedoch, weil ihr offenbar bewusst wurde, dass es Gisela
ernst war.
Die
hatte sich an Elke gewandt und fügte ihrer Frage nun hinzu: »Ich weiß, dass es
Eselsmilchseife auf dem Markt gibt – man kann sie im Internet bestellen.«
Daraufhin schaute sie Elke erwartungsvoll an. Die Reiseleiterin sah
hilfesuchend zu Hassan hinüber, der am Tischende saß.
»Wie
ich schon einmal erwähnt habe, ist die Eselsmilch den Fohlen vorbehalten. Sie
wird in Marokko normalerweise weder getrunken noch zu Kosmetik verarbeitet. In
Italien oder Griechenland schon, soviel ich gehört habe, aber nicht hier bei
uns«, erklärte der einheimische Guide streng.
Doch
damit gab sich Gisela nicht zufrieden. »Ich würde sie aber gern einmal zu
Gesicht bekommen, möchte wissen, wie sie aussieht, wie sie riecht, wie
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