Eskandar: Roman (German Edition)
zu schicken, ist kein guter Gedanke, also habe ich ihm geraten, zum Grab des achten Emam-Resa zu pilgern.
Aftab-Khanum seufzt, der arme Emam. Hoffentlich überfordern Sie den armen Heiligen nicht mit dieser Aufgabe.
Khanum, zuerst bringen Sie mich in diese Lage, und nun kritisieren Sie meine Entscheidung, beschwert Eskandar-Agha sich.
Statt zu antworten, holt Aftab-Khanum Weihrauch aus der Nische, streut es in das Feuer der Wasserpfeife und sagt, möge Gott geben, dass die Krankheit des Unglückseligen nicht auch von Ihnen Besitz ergreift.
1941, Umzug nach Teheran
Vielleicht gibt es in der Hauptstadt einen guten Arzt, der mir helfen kann, doch noch ein Kind zu bekommen, sagt Aftab-Khanum. Eskandar-Agha kommt die neue Hoffnung seiner Frau mehr als gelegen. Seit Ausbruch des zweiten großen Krieges der Farangi fühlt er sich in Schiras abgeschnitten von der Welt und den wichtigen Ereignissen, und er will dort sein, wo das Schicksal des Landes entschieden wird.
Packen wir unsere Sachen, sagt er und machen uns auf den Weg nach Teheran.
Dass sie gleich dorthin umziehen müssen, ist zwar nicht die Absicht von Aftab-Khanum gewesen, aber sie packt.
Unzählige Male werden sie angehalten, von Soldaten der iranischen Armee, von Soldaten der Farangi, von Banditen und unter fadenscheinigen Gründen von etlichen Agenten und Spitzeln. In Esfahan sind sie sogar gezwungen, einen mehrtägigen Aufenthalt einzulegen, weil die Alliierten-Farangi die Eisenbahn und alle Straßen für den Transport von Kriegsmaterial vom Süden, wo ihre Schiffe gelandet sind, in den Norden, wo sie gegen die Almani kämpfen, benötigen und dafür alle Züge beanspruchen.
Es ist unser Land, und wir dürfen uns darin nicht frei bewegen, schimpft Eskandar-Agha.
Aber wir lassen es uns gefallen, antwortet Aftab-Khanum.
Sie sprechen wie mein alter Meister-Hodjat, der Reiter, sagt Eskandar-Agha. Woher haben Sie das?
Von Ihnen, Sie selber haben es mir aus Ihren Aufzeichnungen vorgelesen.
Wir lassen es uns gefallen, wiederholt Eskandar-Agha nachdenklich.
Wir werden es uns nicht mehr gefallen lassen, flüstert Aftab-Khanum. Lassen Sie uns ein Aberteuer wagen, uns dem Verbot der Farangi widersetzen und uns heimlich davonmachen. Lassen Sie uns beweisen, dass wir Mut besitzen.
Und was glauben Sie, wie weit wir kommen werden?
Aftab-Khanum zuckt die Schultern und sieht enttäuscht auf den Boden.
Khanum, Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich mich auf derartige Abenteuer, wie Sie es nennen, einlassen würde. Damit ändern wir doch nichts.
Wenn wir nichts tun, werden wir nichts ändern, erwidert Aftab-Khanum.
Ich sollte Ihnen nie wieder aus meinen Aufzeichnungen vorlesen, die scheinen einen schlechten Einfluss auf Sie zu haben, schimpft Eskan dar-Agha, kann sich ein Grinsen aber nicht verkneifen, was seiner Frau natürlich nicht entgeht.
Das wird uns bestimmt gefallen, wagt Aftab-Khanum zu sagen.
Von ausländischen Soldaten mit vorgehaltener Waffe an der Weiterreise in seiner eigenen Heimat gehindert zu werden, würde keinem Menschen dieser Welt gefallen, sagt Eskandar-Agha bestimmt und mietet ein Zimmer in der Karawanserei, die inzwischen auch auf weibliche Reisende eingestellt ist.
Seine Sonne und er besuchen das öffentliche Bad. Er geht zum Beten in die Moschee. Den Rest des Tages verbringen sie auf dem Naqshe Djahan, dem prächtigen Platz, der von König Abbas-Kabir dreihundert Jahre zuvor errichtet worden ist, damit seine Krieger dort Polo spielen und er auf der Terrasse seines Sommerpalastes sitzen und ihnen dabei zusehen konnte.
In dieser Stadt habe ich vor über dreißig Jahren als Junge gestanden, den Koran rezitiert und Geschichten aus den Schah-Namhe, den Königsbriefen unseres verehrten Dichters Ferdowssi, vorgetragen und damit die Herzen und den Geist der Männer erobert, damit sie sich uns anschlie ßen und mit uns in die Hauptstadt ziehen, erklärt Eskandar-Agha. Ich bin noch ein Kind gewesen und wusste nicht, was Freiheit und Selbstbestimmung, eine Verfassung und ein Parlament sind, aber ich habe gefühlt, dass es richtig ist, mich für diese Dinge einzusetzen. Bis zum heutigen Tag, erinnere ich mich an den Wortlaut eines Gedichtes, das ich häufig aufsagen musste, es heißt Das Rinnsal und der Felsen, und es ist von einem berühmten Dichter, sagt Eskandar-Agha und überlegt, aber der Name des Dichters will ihm nicht einfallen.
Es hat also eine Zeit in Ihrem Leben gegeben, in der Sie ein richtiger Kämpfer gewesen sind, sagt
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