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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
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demnächst vielleicht sogar meinen Schleier ablegen und damit dem Wunsch unseres verehrten Königs nachkommen und zu den ersten modernen Frauen unseres Landes gehören. Mein Leben wird einfacher werden, wenn ich nicht ständig meinen Schleier festhalten, ihn zurechtziehen und befürchten muss, darüberzustolpern, und ich werde nicht den Staub der Straße aufwirbeln und sogar die Hände frei haben.
    Und am Ende wollen Sie sich auch noch mit unbedeckten Armen in der Öffentlichkeit zeigen, ein Zweirad oder gar ein Automobil chauffieren und laut hello und huhu rufen, sagt Eskandar-Agha halb im Scherz. Sie wissen, dass ich es mag, wenn Sie in der Öffentlichkeit sind und von mir aus auch ohne Schleier auf die Straße gehen. Aber wir müssen vorsichtig sein, denn noch ist unser Land voll von Männern, die mit ihrem Verstand längst noch nicht in der fortschrittlichen Zeit angekommen sind. Es könnte gefährlich für Sie werden, sich ohne Schleier in der Öffentlichkeit zu zeigen.
    Sie sind es doch, der immer sagt, die Zeiten ändern sich und wir müssen uns mit ihnen verändern. Und Sie sagen, es ist für unser Geschäft gut, wenn Sie und ich westliche Kleidung tragen. Und natürlich ist es umso besser, wenn ich meine westliche Kleidung nicht unter einem Schleier verstecke. Inzwischen ist es vielen unserer Kundinnen, den Lehrerinnen zum Beispiel, absolut verboten, den Schleier zu tragen. Diese Frauen bekommen von der Regierung sogar Geld für westliche Kleidung. Es macht einen guten Eindruck, wenn diese Frauen ihre Kleider bei einer Frau erwerben können, die das Gesetz befolgt und den Schleier ebenfalls abgelegt hat.
    Weil sie sieht, wie nervös Eskandar-Agha reagiert, lacht Aftab-Khanum. Machen Sie sich keine Sorgen. Der Winter steht vor der Tür, und es ist kalt. Noch fühle ich mich fremd in dieser Stadt. Sollte ich tatsächlich beschließen, den Schleier abzulegen, dann ganz bestimmt nicht vor dem neuen Jahr. Ich finde, Now-Rouz ist ein guter Anlass, um mein Vorhaben in die Tat umzusetzen, sagt sie und tätschelt den Arm ihres Mannes.
    Der Winter könnte härter und kälter kaum sein, und es gibt so viel Schnee, dass Eskandar-Agha und seine Sonne an manchen Tagen kaum in den Hof und zu ihrem Abort hinauskönnen, geschweige denn auf die Straße und in den Basar. Sie verkriechen sich unter ihr warmes Korssi, Aftab-Khanum liest im Koran oder in den Aufzeichnungen ihres Mannes, und Eskandar-Agha schreibt alte Notizen um, sortiert seine Blätter und Bilder, die er gezeichnet hat, neu oder macht neue Eintragungen.
    Den Gerüchten nach zu urteilen, schreibt Eskandar-Agha, könnte der zweite große, weltumspannende Krieg der Farangi grausamer kaum sein. Auch unsere Wirtschaft und das Leben der Menschen im Iran sind davon beeinträchtigt. Trotzdem können meine Aftab-Khanum und ich uns glücklich schätzen. Unser Laden läuft gut und ernährt uns. Vor allem aber danken wir Allah, dass der Krieg sich zumindest bis heute nicht so weit ausgedehnt hat, dass wir ihn direkt zu spüren bekommen, schreibt Eskandar-Agha, dreht die Öllampe herunter, und Aftab-Khanum und er rutschen tiefer unter das warme Korssi und schlafen zufrieden ein und ahnen nicht, dass schon bald durch ein scheinbar unbedeutendes Ereignis ihr Leben eine tiefgreifende Wendung erfahren wird.
    Sie sind auf dem Weg in ihr Geschäft im Basar, als überraschend zwei Polizisten, einer mit und einer ohne Uniform, vor ihnen auftauchen. Nehmen Sie Ihren Schleier ab, fordert der Ältere ohne Uniform Aftab-Khanum auf.
    Im ersten Moment glauben Eskandar-Agha und Aftab-Khanum, es handle sich um ein Missverständnis, doch die beiden Regierungsbeamten bestehen auf ihrer Forderung.
    Es ist Gesetz, beharren die Männer. Schließlich ist es seit Jahren Frauen verboten, den Schleier zu tragen, und jeder ist verpflichtet, die geltende Kleiderordnung zu befolgen.
    Und unsere Aufgabe ist, sagt der jüngere, uniformierte Polizist, dafür Sorge zu tragen, dass Sie sich danach richten.
    Und für Nichtbefolgung, führt der Ältere den Gedanken des Jüngeren fort, bleibt uns kein anderer Weg, als die angesetzte Geldstrafe zu kassieren.
    Die Welt befindet sich im Krieg, sagt Eskandar-Agha und muss schlucken, weil ihm vor Angst der Mund ausgetrocknet ist. In unserem Land haben die Menschen nicht genügend zu essen, die Geschäfte laufen schlecht, wir leben von der Hand in den Mund, und ihr interessiert euch für den Schleier meiner Frau? Was ist das für ein Benehmen? Habt ihr keinen

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