Eskandar: Roman (German Edition)
unseren König verübt, sagen Eskandar-Agha und seine Aftab-Khanum, die sich in dieser Sache ausnahmsweise einig sind – wer immer es gewesen ist, hat nichts anderes erreicht, als dass sich nun selbst jene, die sich nicht zu den Freunden des Königs zählen, um ihn sorgen.
Anders als am Anfang, als Reza-Schah an die Macht gekommen ist und sie ihn gemocht hat, leidet Aftab-Khanum unter seinen ungerechten Entscheidungen gegen die Armen im Land. Aber deswegen einen Menschen töten zu wollen führt doch zu nichts, schimpft sie, und Eskandar-Agha pflichtet ihr ohne Wenn und Aber bei. Und sie machen es wie Tausende ihrer Landsleute und stehen am Straßenrand, als der König sich eine neue Frau nimmt und mit ihr in seiner mit Edelsteinen und Gold besetzten Kutsche durch die Stadt fährt.
In die Nische, wo bisher das inzwischen vergilbte Bild des jungen Schah gestanden hatte, stellt Aftab-Khanum jetzt das der neuen Königin Soraya Esfandiari, Tochter eines mächtigen Führers aus dem Stamm der Bakhtiari und einer deutschen Mutter. Sie ist ein Symbol für alle Frauen dieses Landes, sagt sie.
Und weil sie ein Bild von der Königin gesehen hat, wie sie die Trep pen eines Flugzeugs heruntersteigt, spricht Aftab-Khanum nun andauernd von den siebzehn Kriegsflugzeugen, die die Farangi nach dem zweiten großen Krieg nicht mehr gebraucht und im Iran zurückgelassen haben.
In der Zeitung hat sie nämlich gelesen, dass Ingenieure der Faranssawi-Farangi zusammen mit iranischen Ingenieuren die Flugzeuge in Passagiermaschinen umgewandelt haben. Und nun bittet sie ihren Eskandar-Agha zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, zwei Billetts zu kaufen und nach Mashhad zum Grab des achten heiligen Emam-Resa zu pilgern und ihn um ein langes und gesegnetes Leben zu bitten.
Den Einwand von Eskandar-Agha, dass der verehrte Heilige es bestimmt lieber sähe, wenn sie auf traditionellem Weg zu ihm pilger ten, tut Aftab-Khanum ab. Sie sagt, der verehrte Heilige ist ein kluger Mann gewesen, und würde er in der heutigen Zeit leben, würde auch er den schnellen und bequemen Weg wählen und mit dem Flugzeug reisen.
Eskandar-Agha wird stark und soll eingeschüchtert werden
In einer Ecke der Moschee, etwas versteckt hinter dem kleineren Mam bar, stehen der Sekretär, der Lehrer und der Student aus dem Schreibbüro und beobachten gespannt ihren Eskandar-Agha.
Ich denke, es ist die richtige Entscheidung gewesen, ihn als Befürworter von Mossadegh vor diesen Leuten aus seinem Viertel sprechen zu lassen, sagt der Sekretär, und der Lehrer und der Student nicken und pflichten ihm bei.
Er ist einer von ihnen, einer, der wie sie von ganz unten gekommen ist und nun ein angenehmes Leben führt. Die Leute werden ihm glauben und ihm ihr Vertrauen schenken.
Tatsächlich sind alle Augen in der Moschee auf Eskandar-Agha gerichtet, als er ruft: Ich bin ein kleiner Junge aus einem der ungezählten Dörfer ohne Namen gewesen. Eines Tages musste ich mein sterbendes Dorf verlassen und bin über den verbotenen Berg und habe die ersten Farangi meines Lebens gesehen. Es sind Engelissi gewesen, und sie haben nach Naft gesucht. Sie haben Wasser gehabt. Es ist das Wasser aus unserem Dorf gewesen, was uns weggenommen und zu ihnen umgeleitet worden war. Unsere Felder sind ausgetrocknet, unsere Tiere sind verreckt, mein Vater ist gestorben. Eskandar-Agha macht eine Pause, nicht, weil er Wirkung erzielen will, sondern weil er wirklich einen Kloß im Hals hat und nicht weitersprechen kann. Mein gesamtes Dorf ist gestorben.
Ich habe gesehen, wie das erste Naft aus dem Boden unserer Heimat geschossen ist. Es hat gestunken und geklebt, und ich erinnere mich, wie es manches Mal unsere Ernte verdorben hat. Aber die Engelissi wussten, wie man daraus Geld macht. Viel Geld. Sie haben die größte Raffinerie der Welt in Abadan gebaut, und sie schleppen täglich das kostbare Petroleum mit ihren riesigen Schiffen in die Welt.
Alles, was wir heute von ihnen wollen, alles, wofür der verehrte Mossadegh kämpft und worin wir ihn unterstützen sollten, ist: Die Farangi sollen uns wenigstens einen Teil der Gewinne zukommen lassen. Damit unsere Heimat nicht stirbt, sagt Eskandar-Agha in gefasstem Ton, wie einst mein Dorf gestorben ist.
Die Männer klatschen, und in ihren Augen kann Eskandar-Agha erkennen, dass sie nicht nur verstehen, was er erzählt, sondern dass sie es förmlich sehen.
Ich bin ein einfacher Mann, sagt er. Aber auch ein einfacher Mann hat eine Stimme, und die
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