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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
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erhebe ich hiermit und sage: Es ist genug, genug, genug.
    Jetzt springen manche Männer auf und klatschen, aber Eskandar-Agha spricht weiter. Es gibt eine Lösung für unser Problem, ruft er.
    Das Publikum hört auf zu klatschen, und es wird still in der Moschee.
    Der Einzige, der dieser Ungerechtigkeit und den Besatzern die Stirn bieten kann, ist, Gott sei es gedankt, der noch immer rüstige und kampflustige, siebzigjährige verehrte Dr. Mossadegh, ruft Eskandar-Agha und sieht bis in die hintere Reihe seiner Zuhörer.
    Und deshalb bin ich persönlich froh, dass der verehrte Abgeordnete Mossadegh, für den ich die Ehre habe zu arbeiten, dem Parlament nachgegeben und die Wahl zum Premierminister angenommen hat. Eskandar-Agha reißt die Arme hoch und lächelt in die Menge und erntet ihren Beifall.
    Als Nächstes sagt Eskandar-Agha etwas, das er mit dem Sekretär nicht abgesprochen hat. Der verehrte Mossadegh braucht uns. Uns, die Söhne dieses Landes, ruft Eskandar-Agha und deutet mit ausgestrecktem Arm in den hinteren Teil der Moschee.
    Seht diese Jungen und Männer, ruft er. Sie sind die Zukunft unseres Landes. Wie ich sind sie aus ihren Dörfern vertrieben worden. Aber sie haben nicht aufgegeben. Abend für Abend gehen sie in die Schule, um zu lernen und zu nutzvollen Mitgliedern unseres Landes zu werden. Und wer weiß, sagt Eskandar-Agha mit bebender Stimme, eines Tages wird vielleicht einer dieser Männer Abgeordneter oder sogar der nächste Premier unseres Landes werden.
    Eigentlich könnte Eskandar-Agha seine Rede hier beenden, den gro ßen Applaus genießen und gehen. Aber ermutigt von der Zustimmung des Publikums, ruft er: Schah-an-Schah Aryamehr, hochwohlgeborener Mohammad-Resa-Pahlawi, König des Iran, hat – Eskandar-Agha macht eine Pause, weil er selbst am meisten überrascht ist von seinen Worten und nicht weiß, wie er seinen Satz beenden soll.
    Aftab-Khanum, die sich in einen schwarzen Schleier gehüllt hat und zusammen mit einer Handvoll anderer Frauen in einer dunklen Ecke der Moschee sitzt, wird genauso unruhig wie der Student Agha-Farrokh, der Lehrer und allen voran der Sekretär. Sie hatten ausdrücklich vereinbart, Eskandar-Agha soll kein Sterbenswörtchen über den König verlieren, zumal sie längst die beiden Männer entdeckt haben, die ohne Zweifel Spitzel sind. Die ganze Zeit über haben sie keine Miene verzogen, doch als Eskandar-Agha den König erwähnt, richten sie sich auf und spitzen die Ohren.
    Unser vom Volk geliebter König hat versprochen, sagt Eskandar-Agha schließlich, er hat versprochen, das Wohl der Leibeigenen und Bauern in unserem Land an die erste Stelle zu setzen. Denn schließlich ist es die Landwirtschaft, sind es die Produkte der Bauern, die jeden Einzelnen von uns ernähren.
    Jetzt weiß Eskandar-Agha wieder genau, was er sagen wollte. Der Schah-an-Schah hat versprochen, Sorge dafür zu tragen, dass sie ihre Felder bestellen können und nicht in die Städte abwandern müssen, wo sie ohne Arbeit und Unterkunft die Außenbezirke bevölkern, die dann zu Vierteln verkommen, in denen Arme leben.
    Im Augenwinkel sieht Eskandar-Agha, dass die beiden Spitzel diskutieren, gestikulieren, hinter vorgehaltener Hand flüstern, und er weiß, sie sind sich offenbar nicht einig, ob das, was er gesagt hat, nun Schah-feindlich oder Schah-freundlich ist.
    Keiner von uns hat auch nur den geringsten Zweifel, ruft Eskandar-Agha geistesgegenwärtig, alle Maßnahmen des hochwohlgeborenen Schah-an-Schah sind zum Besten jedes Einzelnen in unserem Land. Lang lebe der Schah!, ruft Eskandar-Agha, wartet auf das Echo aus dem Publikum, dann ruft er: Lang lebe der Iran, sein Volk und der neue Premier Mossadegh. Und zur Sicherheit ruft er noch einmal: Lang lebe der König!. Dann rennt er, so schnell er kann, aus der Moschee, über den Hof und geradewegs zum Abort in der Ecke.
    Welcher Teufel hat Sie denn da nun geritten?, will seine Aftab-Khanum wissen, als er kreidebleich wieder herauskommt.
    Es ist wie ein Zwang gewesen, flüstert Eskandar-Agha, wischt sich den Schweiß von der Stirn und reibt die Hand an seiner Farangi-Hose trocken. Es ist, ich weiß auch nicht, murmelt er. Ich bin machtlos dagegen.
    Das haben Sie wunderbar gemacht, ruft der Sekretär und erschreckt sowohl Eskandar-Agha als auch Aftab-Khanum, weil er plötzlich hinter ihnen steht. Auch die nicht abgesprochenen Passagen, sagt er. Einfach wunderbar. Haben Sie die beiden Spitzel gesehen?, fragt er, ohne seine Stimme zu senken. Da

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