Eskandar: Roman (German Edition)
Silberbesteck und Stoffservietten wie am falschen Ort vor, sie finden es aufregend, hier zu sein und sich von höflichen Dienern bedienen zu lassen.
Ich könnte die Stelle annehmen, und wir könnten unser Leben hier fortsetzen, überlegt Eskandar-Agha laut, als sie wieder in der Droschke und auf dem Heimweg sind, und er bekommt ein promptes und kategorisches Nein als Antwort von seiner Aftab-Khanum.
Wir haben Schiras verlassen und sind nach Teheran gezogen, weil wir dort sein wollten, wo Geschichte geschrieben wird, sagt sie in ruhigem Ton, und ich für meinen Teil bin glücklich darüber, dass Sie und ich nicht nur dabei sind, sondern beide in gewisser Weise sogar an dem Aufbau unseres Landes beteiligt sind.
Es ist wunderschön hier, sagt Eskandar-Agha. Aber Sie haben vollkommen recht. Wir sollten nach dem Sommer dieses Paradies verlassen und nach Teheran und zu unserer Arbeit zurückkehren.
Solange in unserem Parlament vor allem feudale Großgrundbesitzer sitzen, von denen sich viele zu Handlangern der Engelissi und Russi machen lassen, sehe ich es als meine patriotische Pflicht, der Heimat und den Menschen zu dienen, sagt Aftab-Khanum. Sie und ich werden nicht mehr ins Parlament einziehen können, sagt sie. Aber wenn nur ein einziger der armen Menschen aus dem Volk, denen ich helfe, lesen und schreiben zu lernen, eines Tages mit Gottes Hilfe als Vertreter des Volkes ins Madjless gehen sollte, habe ich mehr erreicht, als ich jemals zu hoffen wage. Volksvertreter sollten aus dem Volk kommen, sagt sie mehr zu sich selbst und blickt hinaus in die üppige grüne Landschaft, an der sie mit der Droschke vorbeifahren.
Als die beiden am Ende des Sommers wieder in die Hauptstadt zurückkehren, erfahren sie im Basar vom Tod des armen Hushang-Agha, des Mannes, dem Eskandar-Agha seinen Laden verkauft hatte.
Allem Anschein nach hat er die Dienste von polnischen Frauen in Anspruch genommen und sich mit Typhus infiziert, berichtet der Zahnarzt von gegenüber so leise, dass Aftab-Khanum es nicht hören kann.
Später, als Eskandar-Agha ihr davon erzählt, weint Aftab-Khanum bitterlich, obwohl sie Hushang-Agha gar nicht kannte.
Um ihn weine ich nicht, schluchzt sie. Um die polnischen Flüchtlingsfrauen weine ich. Außer ihrem Körper besitzen diese Frauen nichts mehr, was sie zu Geld machen könnten, und die lüsternen Männer, denen sie sich hingeben müssen, kennen weder Scham noch Moral und speisen die Frauen in diesen schwierigen Zeiten mit einem Hungerlohn ab.
Am nächsten Morgen hat sie eine Idee. Sie will sich mit ihren Nachbarinnen und Kolleginnen aus der Schule zusammentun und einen Brief an die Königin schreiben, von Frau zu Frau gewissermaßen, in Angelegenheiten, die nur Frauen angehen, will sie Königin Fauzieh bitten, ein Auge auf die Lage der armen Flüchtlingsfrauen zu haben und ihnen ihre Hilfe zukommen zu lassen. Doch nur ein paar Tage später sagt Aftab-Khanum enttäuscht, dass sie ihren Plan verwerfen muss, denn der junge König hat sich von der schönen Fauzieh, der Schwester des gar nicht schönen Königs Faruk von Ägypten, getrennt.
Das ist keine Überraschung, sagt Eskandar-Agha. Schließlich hat er die Siebzehnjährige seinerzeit nur aus politischen Gründen geheiratet.
Er trennt sich von ihr, weil sie ihm nur die Tochter Schahnaz und keinen Thronfolger geboren hat, sagt Aftab-Khanum. Außerdem kursieren Gerüchte, dass er andere Frauen und Liebhaberinnen in den Palast gebracht haben soll. Deshalb ist Fauzieh von ihrer Reise in die Heimat nicht zurückgekehrt.
Was auch immer der Trennungsgrund sein mag, schreibt Eskandar-Agha mit einer gewissen Schadenfreude in sein Notizbuch, meine Sonne hat den Gedanken, eine Kampagne zur Rettung der polnischen Flüchtlingsfrauen zu starten, erst einmal fallen lassen.
Andere hingegen nehmen ihre Unzufriedenheit mit der Lage im Land und der Politik des Königs ernster als sie. In den folgenden Jahren unternimmt manch einer sogar den erfolglosen Versuch, den König zu töten. Die Kommunisten und die Rechten beschuldigen sich gegenseitig, andere meinen, Schah-Treue selbst hätten die Attentate vorgetäuscht, um den König zu warnen, er soll sein Amt endlich zum Wohle des Volkes ernst nehmen. Wieder andere sagen, die Farangi hätten manches Attentat verübt, weil sie ein Signal setzen wollten, um jedweden Gedanken des Königs daran, die ausländischen Besatzer aus dem Land zu verjagen, gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Wer immer diese Attentate auf
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