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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
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können Sie sehen, wie groß die Feindschaft der Engelissi ist. Nicht genug, dass sie sich öffentlich und sogar in den Zeitungen lustig über den verehrten Mossadegh machen, ihn als cholerischen, kränkelnden, alten Politiker verspotten. Nicht genug, dass, wann immer er einen Fuß vor die Tür setzt, Spitzel und Agenten auf ihn warten und ihn nicht mehr aus den Augen lassen. Jetzt verfolgen sie auch noch die Leute, die für ihn arbeiten oder für ihn in der Öffentlichkeit sprechen.
    Eskandar-Agha macht dem Sekretär Zeichen, vor seiner Aftab-Khanum nicht über diese Dinge zu reden. Es ist aber zwecklos, der Sekretär sieht und hört nichts.
    Die Wahrheit aber ist, die Engelissi, die Russi und allen voran unser König haben Angst vor ihm, erklärt der Sekretär. Immerhin hat es bisher kein Staatsoberhaupt gewagt, sich gegen die britische Krone aufzulehnen.
    Erleichtert und zufrieden mit sich und seinem Erfolg kaufen Eskandar-Agha und Aftab-Khanum unterwegs noch ein frisches Fladenbrot und gehen nach Hause, wo sie schon von den beiden Spitzeln erwartet werden.
    Du weißt ja, sagt der Größere von beiden, wer zu viel kalte Melone isst, muss anschließend auch das Zittern ertragen. Wir sind hier, um dir mitzuteilen, dass wir längst wissen, wo du wohnst, und auch, wo deine Frau arbeitet. Und wir sind gekommen, um dir einen guten Rat zu geben, sprich lieber nie wieder in der Öffentlichkeit über den König. Mehr haben wir fürs Erste nicht zu sagen. Die beiden wollen schon gehen, da überlegt der Kleinere es sich noch einmal, nimmt Eskandar-Agha das frische Brot weg und klemmt es sich selbst unter den Arm. Weißt du, Bruder, sagt er, am sichersten ist es für dich und deinesgleichen, wenn du gar nicht mehr in der Öffentlichkeit sprichst. Verstehst du? Und für deine Frau hier ist es am besten, wenn sie abends nicht mehr in diese Schule geht, denn wir wollen nicht, dass einer dieser Jungen dort eines Tages Premier unseres Landes wird. Hast du verstanden?
    Statt zu antworten, öffnet Eskandar-Agha vorsichtig die Tür zum Hof, schiebt seine Frau hinein, schlüpft hinterher und lehnt sich von innen gegen die Tür.
    Ihnen ist wohl klar, welcher Gefahr wir gerade entronnen sind, flüs tert Eskandar-Agha mit schweißnasser Stirn, als wäre er den Weg von der Moschee nach Hause gerannt.
    Ein ängstliches Nicken ist alles, was Aftab-Khanum zustande bringt.
    Die ganze Nacht schmeißt sie sich im Schlaf unruhig hin und her, und am nächsten Tag kündigt sie tatsächlich ihre Stelle in der Abendschule.
    Allerdings tut sie das weniger aus Angst vor den Spitzeln. Sie tut es, weil sie längst eine neue Stelle angenommen hat. Bis zu diesem Zwischenfall allerdings hat sie nicht gewusst, wie sie es ihrem Eskandar-Agha erklären soll. Denn statt zwei Stunden am Abend wird sie jetzt den ganzen Tag von morgens bis zum Nachmittag arbeiten, und zwar in einer der ersten Mädchenschulen des Landes.
    Aber das können Sie nicht machen, schimpft Eskandar-Agha. Sie haben es doch selber erlebt. Hat die Drohung der beiden Kerle Ihnen nicht gereicht?
    Ach, lassen Sie nur, wiegelt Aftab-Khanum ab. Die haben gesagt, ich soll nicht in der Abendschule arbeiten. Und das tue ich ja nun auch nicht mehr.
    Khanum, bitte spielen Sie nicht die Naive.
    Ich glaube nicht, dass ich naiv bin. Ich bin nur realistisch. Was soll ich Ihrer Meinung nach denn tun? Warten, bis die Engelissi abgezogen sind? Und die Russi? Und dann gibt es ja auch noch die Konservativen, die sind dagegen, dass Mädchen in die Schule gehen und das Haus überhaupt verlassen. Warten Sie, sagt Aftab-Khanum. Auf wen müsste ich noch Rücksicht nehmen? Ach ja, natürlich, all die Männer, die da drau ßen herumlaufen und finden, eine Frau sollte nicht auf die Straße gehen. Nein, Agha, sagt Aftab-Khanum, ich kann mein Leben nicht auf später verschieben. Aftab-Khanum richtet sich auf und sieht ihren Eskandar-Agha mit erhobenem Haupt an und legt sich schon neue Argumente zurecht, da winkt er ab und lächelt nur.
    Khanum, machen Sie doch bitte, was Sie wollen, sagt er. Ich bin Ihnen längst nicht mehr gewachsen und will mich auch nicht mit Ihnen streiten.
    Verdutzt sieht Aftab-Khanum ihren Mann und sagt leise vor sich hin: Die Zeiten ändern sich.
    Zwei Wochen nachdem Aftab-Khanum ihre neue Stelle angetreten hat, stellen sich am helllichten Tag und obwohl er nur vier oder fünf Gassen vom Büro des Premiers entfernt ist, abermals zwei finster dreinblickende Männer Eskandar-Agha in den Weg. Sie

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