Eskandar: Roman (German Edition)
bestimmt Roxana, und Eskandar-Agha hat keine Wahl und folgt ihr.
Immerhin ist Roxana einverstanden, dass Eskandar-Agha und Sahra im Auto warten, während sie mit Nimtadj, Alexander und ihrem Gast, dem Studenten, ins Haus geht. Schließlich weiß sie, dass Mahrokh-Khanum Eskandar-Agha nie wieder begegnen wollte und auch keine Ahnung hat, dass er in ihrem Gärtnerhaus lebt.
Nimtadj und Alexander verraten nichts und lassen sich auch nichts anmerken, als ihre Mutter lügt und sagt, sie sei dem Studenten zufällig vor der Haustür von Frau Mahrokh begegnet. Er sei ein guter Freund ihres verstorbenen Mannes, dessen Frau und Kind sich in Farang befinden, und sie habe ihn, weil er alleine ist, hereingebeten.
Nimtadj und Alexander lassen sich von Mahrokh-Khanum umarmen und wischen nicht einmal ihre feuchten Küsse mit dem Handrücken weg. Sie bedanken sich höflich für die neuen Geldscheine, stürzen sich nicht auf die Süßspeisen, Nüsse und das Obst auf den diversen Tischen. Selbst als die Dienerin ihnen die Platte mit den Tortenstücken hinhält, nehmen sie jeder nur ein Stück.
Roxana meidet jeden Blickkontakt zu Mahrokh-Khanum und widerspricht ihr nicht einmal, als sie Mossadegh als verrückt, die Kommunisten als Verräter und das iranische Volk als dumm bezeichnet.
Alles geht gut, bis Roxana ihren beiden Kindern das Signal zum Aufbruch gibt und Nimtadj das Stück Torte, das sie auf den Teller gelegt, aber nicht angerührt hat, in die Handfläche schiebt und es vorsichtig hinausbalanciert.
Roxana zwingt sich zu lächeln. Liebes, was tust du?
Schon vergessen? Nimtadj spricht in diesem überheblich scharfen Tonfall, den sie sich bei Mahrokh-Khanum abschaut, sobald sie länger als fünf Minuten mit ihr zusammen ist. Im Auto sitzt ein kleines Kind, sagt Nimtadj, und das hat bestimmt Hunger.
Ein kleines Kind?, fragt Mahrokh-Khanum ein wenig zu schrill, worauf die anderen Gäste verstummen.
Es ist die kleine Sahra, die Tochter von unserem Eskandar-Agha, erklärt Nimtadj nichtsahnend.
Was hast du mit diesem Mann zu schaffen?, zischt Mahrokh-Khanum und bekommt ihr hässliches Gesicht. Hat er nicht schon genügend Schaden in unserer Familie angerichtet?
Er wohnt bei uns, sagt Nimtadj und lässt beinah das Stück Torte fallen.
Kinder, raus mit euch, sagt Roxana.
Die Gäste strecken und recken ihre Hälse und spitzen neugierig die Ohren.
Mahrokh-Khanum läuft Roxana nach. Dieser Mann hat mich bestohlen, er hat dich sitzen lassen, er hat unsere Familie zerstört, schreit sie.
Roxana bleibt abrupt stehen. Ich bitte Sie Khanum, les enfants, contenance, s’il vous plait.
Im Auto leckt die kleine Sahra wie eine Ziege die Torte aus Nimtadjs Hand und bringt Nimtadj und Alexander damit zum Lachen.
Roxana schluckt Tränen herunter, der Student würde sie am liebsten in den Arm nehmen, und Eskandar-Agha schweigt, weil er weiß, Roxana und Mahrokh-Khanum haben sich gestritten, und zwar seinetwegen.
Noch am selben Abend schickt Mahrokh-Khanum durch ihren Chauffeur einen kurzen Brief: Damit, dass du diesen verdammten Lügner und Betrüger in deinem Haus aufgenommen hast, hast du mir das Herz gebrochen. Und das nach allem, was ich für dich getan habe. Weder mit dir noch mit deinen Kindern und erst recht nicht mit deinen Freunden will ich etwas zu tun haben. Verschone mich, und tauche nie wieder bei mir auf. Für mich bist du gestorben.
Eskandar-Agha wird Spion
Seit der Student beinah täglich Gast im Haus von Roxana-Khanum ist, hält Eskandar-Agha sich mit Besuchen im Haupthaus zurück. Niemand soll den Eindruck gewinnen, er sei einverstanden mit diesem ungehörigen Benehmen seiner Roxana und dieses schamlosen Studenten. Die beiden vergnügen sich ungehemmt, als wäre die Welt in Ordnung, als wäre auf den Straßen der Kampf zwischen Gegnern und Befürwortern von König und Premier nicht voll entbrannt.
Wenn er könnte, wie er wollte, würde er ihr schon seine Meinung sagen, aber Eskandar-Agha ist selbst Gast im Haus von Roxana und will und kann das Risiko nicht eingehen, sich mit ihr zu überwerfen.
Auch nicht, als Roxana-Khanum zusammen mit dem Student zu ihm kommt und ihn – wie sie es nennen – um einen kleinen Gefallen bittet. Er soll in die Stadt gehen und sich im Basar, in der Moschee, im Teehaus und bei den Pahlewan umhören und – wie Roxana es nennt – Beweise dafür sammeln, dass die Engelissi und Amrikai Leute bezahlen und organisieren, damit sie in den Straßen gegen Mossadegh demonstrieren
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