Eskandar: Roman (German Edition)
antwortet der Student.
Dann ist es also abgemacht, sagt Roxana und wendet sich dem Studenten zu. Morgen früh wird Eskandar-Agha seine neue Stelle antreten.
Der Bewohner des Hauses ist ein merkwürdiger Farangi, der Eskandar-Agha gleich vom ersten Moment an suspekt erscheint. Er ist laut und überheblich, hat ständig die Hände in den Hosentaschen, als hätte er schmutzige Finger. Er spricht auf eine Art, dass es immer klingt wie ein Befehl oder aber als würde er sich über jemanden lustig machen. Und eine Narbe über seinem rechten Auge verleiht ihm ein grobes, beinahe gewalttätiges Aussehen.
Der Farangi ist ein Amrikai, der ohne Familie gekommen ist, und er hat nur ein paar Koffer und Kisten, die er allesamt im Wohnzimmer abstellen lässt. Den ganzen Tag über kommen und gehen ausländische und iranische Männer ein und aus. Sie alle machen wie der Hausherr selber den Eindruck, als hätten sie etwas zu verheimlichen.
Kurz nachdem der Mullah in der nahe gelegenen Moschee zum Mittagsgebet ansetzt, kommt ein Mann in den Garten. Schon am Morgen war Eskandar-Agha auf ihn aufmerksam geworden. Mit seiner ungehobelten lati-Art zu sprechen und seiner breitbeinigen Art zu gehen, wirkt er wie ein Möchtegern-Pahlewan. Er drückt Eskandar-Agha ein paar druckfrische Scheine in die Hand und schickt ihn mit dem Fahrrad zum nächsten Tshelokababi, um Essen für alle zu holen.
Gekonnt balanciert Eskandar-Agha das riesige Tablett mit den zwölf Portionen Tshelokabab auf seinem Kopf zum Haus zurück und erntet dafür nicht nur den Beifall des Möchtegern-Pahlewan, sondern muss auf seinem Fahrrad stillhalten, bis einer der Männer vom Amrikai und Eskandar-Agha eine Fotografie macht.
Thank you, sagt der Amrikai, klopft Eskandar-Agha auf die Schulter und beobachtet ihn aufmerksam. Natürlich kennt Eskandar-Agha die richtige Antwort auf das Danke der Amrikai-Farangi, nur nichts falsch machen, denkt er, lächelt, legt die Hand auf seine Brust und sagt: Sendeh-bahsi.
Als wäre er erleichtert, lacht der Amrikai, und steckt Eskandar-Agha einen Schein in die Brusttasche.
Der Möchtegern-Pahlewan hält Eskandar-Agha die Tür zum Haus auf und befiehlt: Deck den Tisch, aber bitte so, dass unser Farangi-Freund sich nicht ekeln muss und es keine Schande für uns ist.
Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich dem Mann sagen, dass ich schon als kleiner Junge den Tisch für die Farangi gedeckt und niemand sich jemals über mich beschwert hat, denkt Eskandar-Agha.
Verstehst du?, fragt der Möchtegern und lässt seine Brustmuskeln spielen, dass man es durch sein Nylonhemd sehen kann.
Wenn ich könnte, wie ich wollte, denkt Eskandar-Agha, würde ich ihm sagen, du hast Glück, dass du mir nicht begegnet bist, als ich selbst noch ins Sur-Khane gegangen bin, trainiert habe und in meiner Nachbarschaft ein respektierter und gefürchteter Pahlewan gewesen bin. Aber statt etwas zu sagen, hievt Eskandar-Agha das Tablett vom Kopf und macht sich sofort daran, den Tisch abzuwischen. Er poliert das Besteck und die Gläser und muss grinsen, weil er sich ein wenig vorkommt wie damals, als er Boy im Lager der Farangi gewesen ist.
Was haben Sie gemacht?, fragt Roxana, als er am Nachmittag wieder nach Hause zurückkehrt. Wie ist es gewesen? Wer ist der Mieter? Wie sieht er aus? Haben Sie mitbekommen, was er vorhat?
Khanum, Sie fragen mich aus, als wären Sie eine Spionin, sagt Eskandar-Agha und muss schlucken. In diesem Moment wird ihm nämlich klar, dass genau das der Grund dafür ist, warum er als Gärtner in dieses Haus geschickt wurde. Er soll den Amrikai-Farangi und seine Freunde ausspionieren.
Sie haben nichts zu befürchten, beruhigt Roxana ihn. Keiner wird darauf kommen, dass ausgerechnet ein Gärtner Engelissi verstehen könnte oder Verbindungen zum Lager des Premiers hat.
Khanum, es ist ja auch die Wahrheit, außer hawaryu, gudbai, ssankyou verstehe ich ja wirklich nichts, lügt Eskandar-Agha.
Haben Sie erfahren, wie der Amrikai heißt?
Mister Lockridge oder Jim, aber einer der Farangi hat ihn ein-, zwei mal Kirmit genannt, antwortet Eskandar-Agha, während Roxana fleißig mitschreibt. Khanum, wer sind diese Leute? Und wer sind die Leute, an die Sie diese Informationen weitergeben, und woher wollen Sie wissen, dass Sie diesen Menschen vertrauen können?
Ich verspreche es beim Leben meiner Kinder, Ihnen wird nichts geschehen, und wer diese Informationen erhält, dürfte Ihnen ja wohl klar sein. Es sind Menschen, die nur das Beste
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