Eskandar: Roman (German Edition)
dieses Jahr noch keine Fische im Glas gekauft und reichlich Platz, wie Sie sehen. Bringen Sie Ihre Fische. Bitte, und kommen Sie selber auch, wir werden das Fest zusammen feiern.
Also dann, sagt Eskandar-Agha.
Also dann, sagt der Student noch einmal und geht endlich hinaus auf die Veranda.
Damit er es sich nicht noch einmal überlegt, bleibt Eskandar-Agha ihm dicht auf den Fersen, drängt ihn beinah hinaus, schließt rasch die Tür hinter sich und eilt voraus zum Tor.
Während er ihm hinterherhastet, entschuldigt der Student sich grinsend. Nun haben Sie ein vollkommen durchgeschwitztes und zerdrücktes Brot, fürchte ich. Soll ich rasch ein neues für Sie besorgen und es Ihnen bringen?
Nein danke, antwortet Eskandar-Agha bestimmt und läuft weiter in Richtung Tor.
Es lebt sich bestimmt gut hier, sagt der Student.
Eskandar-Agha zuckt kurz zusammen, versucht einen Unterton herauszuhören. Das ist so, sagt er und überlegt, wie er seine Lüge von vorhin am besten erklären kann.
Das denke ich mir, sagt der Student. Würde mir auch nicht schlecht gefallen, in einem solchen Haus mit einem schönen Park drumherum zu leben.
Ziemlich dreist, murmelt Eskandar-Agha leise genug, dass seine Worte vom Geräusch seiner Schritte im Kies verschluckt werden. Gott ist gnädig mit mir, sagt er laut genug, damit der Student es versteht.
Also, dann werden wir uns zum Now-Rouz-Fest wiedersehen, sagt der Student, bevor er endlich durch das Tor auf die Straße hinausgeht.
Ein neues Jahr und ein neuer Bewohner
Im Jahr 1953 können es sich nicht viele Iraner leisten, Now-Rouz, das Fest zum neuen Jahr, so zu feiern, wie es der Tradition entspricht.
Im Haus von Roxana-Khanum hingegen gibt es gleich zwei Haft-Ssin. In der großen Eingangshalle legt Roxana eine grün-weiß-rote Tischdecke, in den Farben der Nationalflagge, auf den runden Tisch unter dem Lüster und beauftragt Eskandar-Agha, aus dem Garten Hyazinthen und Tulpen in den gleichen Farben zu holen. Für die Gewürze und anderen Gaben, die alle mit dem Buchstaben Ssin beginnen, lässt sie im Basar eigens grüne, rote und weiße Schalen aus Ton herstellen.
Ssin, der Buchstabe S, steht für sepandeh, erklärt Eskandar-Agha Nimtadj und Alexander, die ihm dabei helfen, den Tisch zu schmücken.
Warum brauchen wir sieben und nicht sechs oder acht Ssin?, fragt Nimtadj mit gezücktem Stift. Sie hat es bei Eskandar-Agha abgeguckt und schreibt alles Mögliche in ihr Notizheft, macht Skizzen und hat sogar durchgesetzt, dass ihre Mutter ihr im Ausland einen Fotoapparat kauft.
Die Zahl Sieben ist heilig und steht für die sieben Erzengel, mit denen Zarathustra seine Religion vor beinah dreitausend Jahren begründet hat, erklärt Eskandar-Agha. Das Haft-Ssin soll den Bewohnern des Hauses Glück, Gesundheit, Wohlstand, spirituelle Reinigung und ein langes Leben bringen.
Und die Fische?, fragt Alexander, wann werden wir die kaufen?
Gar nicht, antwortet Eskandar-Agha in so mürrischem Ton, dass nicht nur Nimtadj und Alexander, sondern sogar die kleine Sahra ihn erschrocken ansehen.
Wir erwarten einen Gast zum Jahreswechsel, sagt Eskandar-Agha, und der wird Fische mitbringen.
Aber das ist unsere Aufgabe, rufen die Kinder.
Es ist ein Versprechen. Sie haben uns versprochen, uns endlich in den Basar mitzunehmen, wo jeder von uns einen Fisch aussuchen darf, sagt Nimtadj mit fester Stimme.
Mit deinen zehn oder zwölf Jahren bist du schon ganz schön forsch, schimpft Eskandar-Agha und bereut es sofort.
Ich verlange von Ihnen, dass Sie Ihr Versprechen halten, antwortet Nimtadj genau in dem Moment, als ihre Mutter auftaucht.
Hüte deine Zunge, ermahnt Roxana ihre Tochter, lächelt dabei aber dieses neue Lächeln, das sie seit der Begegnung mit dem Studenten zeigt. Du hast nichts zu verlangen, sagt sie. Du darfst allenfalls bitten. Und der verehrte Eskandar-Agha ist unserer Ältester und für mich wie ein Bruder, jedenfalls einer, dem du Respekt schuldest.
Ein Bruder, der im Gärtnerhaus lebt?, fragt Nimtadj.
Roxana ignoriert die Bemerkung ihrer Tochter. Verehrter Eskandar-Agha, sagt sie, wenn es Ihnen nichts ausmacht, gehen Sie bitte in den Basar, und kaufen Sie ein weiteres Paar Fische für die Kinder. Wir werden ein zweites Haft-Ssin in Ihrem Quartier aufbauen.
Zu Ihren Diensten, murmelt Eskandar-Agha, steckt das Geld ein, das Roxana ihm gibt, und macht sich mit den drei Kindern auf den Weg.
Nimtadj und Alexander sind es nicht gewöhnt, sich zu Fuß draußen in der Stadt zu
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