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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
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sprechen. Die Wahrheit soll so lange verdreht und totgeschwiegen werden, bis jeder der dabei gewesen ist und sie kennt, nicht mehr ist. Umso wichtiger, dass wir, die die Wahrheit kennen, sie am Leben halten, schreibt Eskandar-Agha und liest leise mit.
    Wen am Leben halten?, fragt Nimtadj, die mit ihrem eigenen Notizblock unter dem Arm wie aus dem Nichts vor ihm auftaucht und Eskandar-Agha so sehr erschreckt, dass er leise aufschreit.
    Mädchen, tu das nie wieder.
    Was?
    Dich in der Dunkelheit anzuschleichen und mich zu erschrecken. Ich bin nicht mehr der Jüngste.
    Ich will nicht alleine in meinem Zimmer sein, sagt Nimtadj und setzt sich neben Eskandar-Agha.
    Er legt seinen Arm um sie, sieht sie lange an und sagt, das verstehe ich.
    Ist jemand verwundet oder in Gefahr, zu sterben?, fragt Nimtadj mit einer Ernsthaftigkeit, als wäre sie nicht noch ein halbes Kind.
    Wie alt bist du?, fragt Eskandar-Agha.
    Zwei Wochen älter als das letzte Mal, als Sie mich gefragt haben, antwortet Nimtadj. Aber noch immer elf Jahre und ein Kind und ja, ich weiß, ich sollte spielen und unbekümmert sein, statt mir über Gott und die Welt Sorgen zu machen, spult Nimtadj herunter, was Eskandar-Agha ihr wieder und wieder einbläut.
    Damit hast du recht, sagt Eskandar-Agha.
    Sie sagen aber auch, dass wir fragen sollen, wenn wir etwas nicht verstehen, sagt Nimtadj.
    Auch damit hast du recht, sagt Eskandar-Agha. Also, was ist es, das du nicht verstehst?
    Das hier, antwortet Nimtadj und zieht einen Artikel zwischen den Seiten ihres Blocks hervor.
    Das ist nichts Besonderes, sagt Eskandar-Agha. Die Amrikai und der König zeigen sich zufrieden über ihre gute Zusammenarbeit.
    Und nun kauft die Welt wieder unser Naft, sagt Nimtadj.
    Eskandar-Agha nickt und lächelt sie an. Und was ist deine Frage?
    Ist das gut für uns oder schlecht?
    Eskandar-Agha will antworten, hält aber inne. Weißt du, sagt er schließlich, ich glaube, das ist eine von den Fragen, auf die es keine einfache Antwort gibt.
    Das habe ich mir schon gedacht, sagt Nimtadj, stützt ihren Kopf in die Hand und starrt den Artikel an, als erwarte sie von ihm eine Antwort.
    Warum schreiben die Zeitungen nichts über die tausende und abertausende Toten, die Sie und meine Mutter und der Herr-Student gesehen haben?
    Wir haben keine tausende Tote gesehen.
    Aber es hat sie gegeben, sagt Nimtadj und klingt, als hätte sie selber die Toten mit eigenen Augen gesehen. Ich möchte dem verehrten König einen Brief schreiben und ihm sagen, wie schlecht es meiner Mutter und dem verehrten Herrn-Studenten geht und dass sie all ihre Hoffnung verloren haben, sagt Nimtadj, und Tränen laufen über ihr Gesicht.
    Eskandar-Agha zieht sie näher an sich heran. Tu das, sagt er, und wenn du deinen Brief geschrieben hast, werde ich persönlich ihn für dich zur Post bringen. Und sei nicht undankbar, sagt Eskandar-Agha. So viele Kinder in diesem Land haben kein Dach über dem Kopf, nichts zu essen, sind krank und haben keine Mutter, die sich um sie kümmert.
    Danke, sagt Nimtadj leise und zwingt sich zu einem Lächeln.
    Als wenn das gesamte Leid des Landes und dieses Volkes in ihrem kindlichen Gesicht geschrieben steht, schreibt Eskandar-Agha später in seine Notizen. Den Artikel, den Nimtadj ihm dagelassen hat, klebt er in seinen Block und schreibt: Trotz Nimtadjs Leid und trotz allem anderen, die Welt geht weiter. Die Welt erhält wieder iranisches Öl.
    Dem Artikel nach zu urteilen, entschädigt der Schah-an-Schah die Engelissi großzügig für die Verluste, die sie durch die Verstaatlichung unseres Erdöls erlitten haben, und ihre Aktien erreichen Rekordpreise. Zudem hat der Schah zusammen mit seinen alten und neuen Farangi-Freunden ein neues Konsortium gegründet, schreibt Eskandar-Agha. 40 Prozent aller Anteile bekommen die Engelissi. Sie nennen ihr Unternehmen BP, British Petroleum. Zudem gehen 40 Prozent an fünf Ölkonzerne der Amerikaner. 20 Prozent gehen an Compagnie Française de Pétrole und Royal Dutch Shell.
    Und wir?
    Alles Blut, was unsere Schwestern und Brüder vergossen haben, ist verschwendet. Der größte Teil unseres persischen Erdöls gehört noch immer den Farangi, und wir werden wieder nur mit Krümeln abgespeist.

Die Kinder werden flügge
     
    Lassen Sie uns ins Kino gehen, schlägt Nimtadj vor, als Eskandar-Agha sie von der Schule abholt. Sie hat sich längst daran gewöhnt, nicht ihre Mutter, sondern Eskandar-Agha in ihr tägliches Leben einzubeziehen.
    Aber nur, wenn du vorher zu

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