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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
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Panzer schieben sich mit lautem Geknatter und dicken Qualm ausstoßend über die Kreuzung. Männer springen auf, stecken Nelken an die Panzer, springen wieder ab und rufen: Der Schah kommt zurück, der Schah kommt zurück, lang lebe Mohammad-Resa-Schah.
    Eskandar-Agha legt gerade eine neue Filmrolle in seine Kamera ein, als es um ihn herum stiller und stiller wird. Er zieht den Kopf ein und blickt um sich. Niemand rührt sich, und alle schweigen. Dann hört auch Eskandar-Agha die unterbrochenen Fetzen einer Radiostimme, die aus irgendeinem Fenster auf die Straße dringt: Die Regierung Mossadegh ist gestürzt – neue Premier – Fazl-allah Zahedi – Majestät – an – Schah Aryamehr – Rückreise – Heimat -
    Eskandar-Agha weiß, was das bedeutet. Als Nächstes werden noch mehr Schah-Treue, Bezahlte, Militär, Agenten zur Residenz des verehrten Mossadegh ziehen. Gott erbarme sich derer, die jetzt dort sind und sich sicher fühlen, weil zwei Panzer und eine Handvoll Wachen sie beschützen, murmelt Eskandar-Agah und rennt, auf der Suche nach einem Telefon, in den nächsten Laden.
    Bruder, ich würde dir gerne helfen, sagt der Ladenbesitzer, aber ich besitze kein Telefon, außerdem haben sie ohnehin das Post- und Telegrafenamt besetzt und alle Leitungen lahmgelegt.
    Das habe ich mit eigenen Augen gesehen, sagt Eskandar-Agha. Wer sind diese Leute?
    Der Mann zuckt die Schultern, mustert Eskandar-Agha beunruhigt und sagt, Bruder, ich gehöre weder zu diesen noch zu jenen. Ich habe viele Mäuler zu stopfen und tue nur meine Arbeit.
    Was sind das nur für schreckliche Zeiten?, sagt Eskandar-Agha, in der niemand mehr dem anderen vertraut und jeder sich vor dem anderen fürchtet.
    Eskandar-Agha läuft aus dem Laden und rennt weiter in Richtung Mossadeghs Haus. Ein paar Straßenkreuzungen weiter verstummen alle ein zweites Mal. Jetzt dringt die Stimme klar und deutlich in die Straßen, die Leute haben ihre Radiogeräte in ihre geöffneten Fenster und Türen gestellt, damit alle es hören können.
    Ein Farangi-Lied ertönt. Die Männer, die neben Eskandar-Agha stehen, wissen, es ist die Nationalhymne der Amrikai. Wenigstens wissen wir nun, wer die Leute sind, die den Radiosender übernommen haben, sagt einer der Männer.
    Das Lied wird unterbrochen. Alles ist still. Dann erklingt eine neue Farangi-Melodie. Anschließend wird der neue Premierminister des Landes angekündigt, und es spricht General Zahedi.
    Eskandar-Agha nutzt die Ruhe, vermeidet es, jemanden anzusehen, und geht langsam weiter in Richtung Norden, während er Wortfetzen aus dem Radio aufschnappt. Kostenlose Gesundheitsversorgung – Freiheit – Sicherheit – höhere Löhne.
    Und alles andere, was alle anderen uns ebenfalls immerzu versprochen, aber nie wahr gemacht haben, sagt Eskandar-Agha leise zu sich selber.
    Als er endlich um die letzte Kreuzung biegt und beim Haus des entmachteten Premiers ankommt, bleibt Eskandar-Agha die Luft weg. Das Gebäude ist vollkommen zerschossen, die Mauern sind durchlöchert, das Dach ist eingestürzt, Fenster und Türen fehlen. Es riecht verbrannt. Zertrümmerte Möbel liegen auf der Straße und dem Bürgersteig. Überall stehen Militärfahrzeuge. Zivilisten und Soldaten schleppen Kisten, Möbel, sogar Teller, Vasen und was sie sonst noch finden, aus dem Haus. Die Gartenmauer ist von einem Panzer niedergerissen, selbst das Eingangstor ist halb herausgehebelt, das Haus ist eine Ruine, und ringsherum ist ein Schlachtfeld.
    Wie betäubt geht Eskandar-Agha auf den Eingang zu. Er stolpert, kann sich gerade noch auf etwas, das am Boden liegt abstützen. Während er sich aufrichtet, begreift er, er ist über die Füße eines Menschen gestolpert und hat sich auf dessen totem Körper abgestützt.
    Eskandar-Agha muss würgen, kann sich nur mit Mühe zusammenreißen, um das Bewusstsein nicht zu verlieren, als er sieht, dass seine Hände mit dem Blut des Toten vollgeschmiert sind.
    Er reibt sie sich an seiner Hose und seinem Hemd ab und bemerkt erst jetzt, dass überall zwischen dem Schutt, den Steinen und Mauerresten Tote liegen.
    Männer haben sich Tücher vor Mund und Nase gebunden, gehen von Leiche zu Leiche, drehen sie herum, sehen sie sich genau an und durchsuchen sie. Zuerst denkt Eskandar-Agha, sie suchen Angehörige, Freunde, Verwandte. Dann versteht er, die Männer durchsuchen die Leichen nach Wertgegenständen. Und sie fischen Geld aus den Taschen der Toten.
    Sofort erkennt Eskandar-Agha, es sind die gleichen frisch

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