Eskandar: Roman (German Edition)
Familie und meinen Laden im Basar von Schiras zurück, sagt Nossrat-Agha. Und du, mein Freund? Du scheinst weder ein Händler noch einer der Arbeiter oder Angestellten der Farangi zu sein.
Das ist eine lange Geschichte, antwortet Eskandar.
Gut, sagt der freundliche Händler. Das ist gut. Ich liebe Geschichten, und wenn sie lang sind, umso mehr. Wenn du nichts Besseres zu tun hast und zufällig nach Schiras willst, dann könntest du dich mir und meiner kleinen Karawane anschließen. Meine Maultiere haben nichts zu tragen, und obwohl die Wege dank des neuen Schah sicher sind wie nie zuvor, bedeutet jeder Mann mehr zusätzliche Sicherheit, aber auch mehr Freude und eine Gnade Gottes, sagt Nossrat-Agha lachend.
Als hätte er nicht vorgehabt, endlich Mahrokh-Khanum und Roxana aufzusuchen, schnürt Eskandar seine Kiste und sein Bündel auf den Rücken eines Maultieres und begleitet den freundlichen Händler nach Schiras.
Er berichtet von Mirza Kutshek-Khan, und der Händler und seine Männer wollen alles wissen und stellen eine Frage nach der anderen. Stimmt es, dass er seine Feinde verschont und die eigenen Landsleute nicht angegriffen hat? Wie viele Schulen hat er gebaut? Konnte er selbst lesen und schreiben? Wie viele Söhne hat er hinterlassen? Hast du die Verräter gekannt, die seinen Kopf abgetrennt und dem Hundesohn von Qajaren-König gebracht haben, der nicht nur dem verehrten Mirza, sondern auch uns das Leben zur Hölle gemacht hat?
Erzähl weiter, sagt der Händler, wenn Eskandar schweigt. Unterhalte mich und meine Männer, und ich werde dir dafür bis Schiras das Essen und den Schlafplatz in den Karawansereien und Teehäusern bezahlen.
In Schiras angekommen, sagt der freundliche Händler, ich wünsche dir jedes erdenkliche Glück, mein Freund. Und denk daran, wann immer es dich nach einer anständigen Mahlzeit gelüstet, besuche mich in meinem Laden im Basar und erzähl mir eine von deinen Geschichten.
Ich bin Ihnen zu tiefem Dank verpflichtet, sagt Eskandar. Es ist gut, in einer fremden Stadt einen Freund zu haben.
Wer mich zum Freund hat, dem sind die meisten Händler und Handwerker im Basar gewogen, sagt der freundliche Nossrat-Agha lachend, ohne dabei überheblich zu klingen.
Zum Abschied küsst Eskandar die Hand des Händlers. Ich werde Sie gleich morgen aufsuchen, ohne dass Sie mir eine Mahlzeit dafür schulden, und ich werde eine neue Geschichte mitbringen, verspricht er.
Komm zur Mittagszeit, sagt der Händler und zwinkert ihm zu.
Um nicht unhöflich und undankbar zu sein und mit leeren Händen zu erscheinen, kauft Eskandar von dem Geld, mit dem Nossrat-Agha ihn großzügig entlohnt hat, frisches Fladenbrot, eine Schale Joghurt und frischen Knoblauch.
Willkommen, willkommen, mein Freund, ruft der freundliche Händler, breitet die Arme aus und begrüßt seinen jungen Reisebegleiter herzlich. Es freut mich, dass ich mich nicht in dir und deinem Charakter getäuscht habe und du dein Versprechen hältst.
Auch Eskandar-Agha hat allen Grund, sich zu freuen. Seine Erwartungen werden mehr als übertroffen. Nossrat-Agha hat den umliegenden Händlern und Ladenbesitzern Bescheid gegeben. Der Schreiner, der Schmuckmacher, der Geldwechsler, der Mullah, der Besitzer vom Badehaus und auch der Teehausbesitzer, sogar der eine oder andere Schlepper und Arbeiter haben ihr Essen mitgebracht und gewartet, bis der Geschichtenerzähler auftaucht.
Schon nach ein paar Sätzen ist die Menschentraube vor dem Laden des freundlichen Herrn-Nossrat so groß, dass die Gasse verstopft und kein Durchkommen mehr ist, und Eskandar-Agha erntet wieder und wieder Applaus. Wenn der Held siegt, der Bösewicht eine Niederlage erfährt, die Liebenden zueinanderfinden und mit ihrem Glück andere beglücken.
Noch eine, rufen die Männer, werfen Geld in eine Tonschale, die einer in die Mitte gestellt hat. Und sie wollen, dass Eskandar-Agha am nächsten und übernächsten Tag wiederkommt, dass er in jeden Laden geht, dort seine Mahlzeit einnimmt und seine Geschichten zum Besten gibt, um damit mehr Kundschaft anzulocken.
Die Männer mögen Eskandar-Agha und stellen ihm tausendundeine Frage. Woher er stammt, wollen sie wissen, wo seine Familie ist, ob er Kinder hat, mit welcher Arbeit er sein Geld verdient.
Ich habe schon jede Art von Arbeit verrichtet, die ihr euch vorstellen könnt, antwortet Eskandar-Agha lachend. Ich bin Diener und Stalljunge gewesen, habe Waren geschleppt, bin aufs Meer hinausgefahren und habe Fische gefangen. Ich
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