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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
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seine eigenen Männer verfolgt und bestraft, weil sie Kourosh, den persischen König aus dem Volk der Parsen, ermordet haben. Alexander hat sich mit uns, den Iranern, verbündet, die persische Prinzessin Roxana geheiratet und sich als König nicht nur von Mazedonien, sondern fortan auch von Persien bezeichnet. Statt seinen Feind zu zerstören, hat Alexander den Reichtum, die Größe und das Wissen seines unterlegenen Gegners beschützt, und so hat er die Menschen für sich eingenommen. Er hat eine Klugheit bewiesen, welche die Mächtigen unseres Landes heute nicht mehr besitzen, sagt Hodjat-Agha und mustert Eskandar von Kopf bis Fuß. Dabei war der Griechenkönig allenfalls vier, fünf Jahre älter als du, sagt der Alte und lacht.
    Mit Verlaub, verehrter Meister, Sie wollen doch nicht, dass ich es dem König Eskandar gleichtue, eine Armee aufstelle und die Welt erobere.
    Als ich deiner Mutter gesagt habe, dich Eskandar zu nennen, war meine Hoffnung, dass die Willenskraft dieses jungen, mutigen Mannes, dass sein Glaube, das Unmögliche möglich machen zu können, dass seine Klugheit Eigenschaften sind, die auch du besitzen würdest. Hodjat sieht Eskandar traurig an und schüttelt den Kopf. Du tust mir leid, sagt der Alte. Weil du dich selbst bedauerst, weil du nicht siehst, nicht sehen kannst, nicht sehen willst, dass du wahrscheinlich sogar über mehr Kraft verfügst als der große Griechenkönig.
    Meister, bitte, ich habe es nicht verdient, dass Sie mich derart erniedrigen.
    Erniedrigen? Du redest Unsinn. Betrachte dein Leben, und entscheide selbst. Du hast keine Armee, keine Berater und kein Heer zur Verfügung gehabt. Du bist ein kleiner Junge gewesen, als du allein und auf dich selber gestellt dein Dorf ohne Namen verlassen hast. Sieh dich an, du bist ein Mann geworden und führst ein Leben. Dafür braucht ein Mensch mehr Mut und Kraft als ein König, für den es ein Leichtes ist, mit all seinem Reichtum und seinen Soldaten, seiner Macht und seiner Stellung ein anderes Land zu überfallen, sagt der Alte und lächelt zufrieden.
    So sind Menschen, wenn sie alt werden, denkt Eskandar-Agha, kann seinen Gedanken aber nicht zu Ende bringen, weil er sich beeilen muss, den klapprigen Esel seines Meisters einzuholen, der sich klammheimlich davongemacht hat und in Richtung Schiras trottet.

1928, ein neuer Beruf und die neuen Gesetze des Königs Resa-Khan
     
    Außer Eskandar ist nur der klapprige Esel, den sein Meister ihm ver macht hat, bei der Beerdigung des alten Agha-Hodjat dabei.
    Siehst du, sagt Eskandar-Agha, und der Esel wackelt mit den Ohren. Nun hat Gott auch noch den letzten Menschen zu sich geholt, der mich aus meinem Dorf ohne Namen gekannt hat. Stattdessen bin ich jetzt im Besitz eines Esels, sagt er, stellt sich in Richtung Qeble, Kerbela, und rezitiert die Todessuren aus dem Koran.
    Ich wünschte, ich könnte Ihnen Ihr Leid abnehmen und es an Ihrer Statt für Sie ertragen, sagt seine Aftab-Khanum, schenkt ihm Tee ein und klopft das Kissen aus, damit ihr Eskandar-Agha es im Rücken weich hat.
    Er genießt die zärtlichen Gefühle seiner Frau und versinkt in ihrer Wärme und stellt sich vor, sie könnte wirklich alles Leid von ihm nehmen und ihn von allen Schmerzen und auch seinem neuerlich entfachten schlechten Gewissen befreien. Ich will nicht, dass Sie leiden, sagt Eskandar-Agha. Weder an meiner Statt noch aus sonst einem Grund. Lieber will ich tot sein, als Ihr Leid mit ansehen zu müssen.
    Aftab-Khanum nickt kurz, sagt aber nichts.
    Vergeben Sie mir, sagt Eskandar-Agha.
    Vergeben? Wofür könnte ich Ihnen vergeben? Haben Sie Schuld auf sich geladen?
    Ich bitte Sie um Vergebung, sagt Eskandar-Agha und weiß nicht weiter.
    Aftab-Khanum lacht freundlich und sagt, na gut, dann vergebe ich Ihnen. Für was auch immer.
    Ein paar Tage lang ist Eskandar-Agha betrübt und denkt mit Wehmut und schlechtem Gewissen an seinen alten Meister. Dann aber vergeht wie alles andere auch dieser Schmerz und macht Platz für sein Leben mit Aftab-Khanum, die Sorgen im Basar und seine tägliche Arbeit, zu der seit einiger Zeit ein unscheinbarer Mann gehört, der für die Regierung arbeitet.
    Regelmäßig kommt er zu Eskandar-Agha und diktiert ihm neue Gesetze und Dekrete, die er in schöner und leserlicher Schrift mehrfach auf großformatiges Papier schreiben soll. Anschließend bringt der Regierungsmann die Zettel an den Mauern im Basar an, damit jedermann die neuen Gesetze der Regierung lesen kann und weiß, wie es um das Land

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