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Esper in Aktion

Esper in Aktion

Titel: Esper in Aktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Morgan
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ihm, daß er trank, weil sie es getan hatte, um ihrer Hoffnungslosigkeit zu entrinnen.
    Gestern … war es gestern oder vor einer Woche gewesen? Gestern hatte er sich vom Menschenstrom durch die Straßen treiben lassen, und ihm war schmerzhaft zu Bewußtsein gekommen, daß all die Leute, die ihn da anstießen, ein Ziel besaßen. Nur er irrte sinnlos umher.
    Einmal hatte er aufgeschaut und sie an einer Straßenecke entdeckt. Sie sah nicht in seine Richtung, aber die schmale Gestalt, die Beine, das Haar, die Haltung – es mußte Annette sein. Er lief ihr nach. Aber als er nur noch wenige Schritte von ihr entfernt war, dämmerte ihm, daß er sich unmöglich benahm. Selbst wenn die Frau an der Ecke existierte, konnte sie nicht Annette sein … Er betrat eine Kneipe, ging an die Theke und bestellte einen Whisky.
    Er starrte in sein leeres Glas. Nein, das hatte sich nicht gestern abgespielt, sondern erst vor ein paar Minuten. Er erinnerte sich an ähnliche Vorfälle – an die feste Überzeugung, sie im Menschengewühl entdeckt zu haben, und an die anschließende Ernüchterung.
    Die endlosen Straßen faszinierten ihn. So viele Menschen, so viele Gesichter – alle aus den gleichen Grundelementen zusammengesetzt und doch völlig verschieden. Wenn es einen Gott gab, so war er sicher eine Art Michelangelo, der eine Ewigkeit lang Abwandlungen eines Themas schuf. Eines Tages langweilte ihn diese Beschäftigung vielleicht, und er ging von den gewohnten Schemen ab: eine Extranase … drei Augen … oder vielleicht ein Mund mitten in der Stirn…
    Er begann zu lachen, ein harter, keuchender Laut, der seinen empfindlichen Magen aufwühlte.
    »Was darf es sein?«
    Er sah in das verächtliche, hagere Gesicht des Barkeepers. Er hatte ein Tabu gebrochen. In Gesellschaft anderer durfte man über jede Bemerkung lachen, selbst wenn sie todtraurig war. Aber wenn man allein an der Theke saß, hatte man nicht das Recht dazu. Sogar ein Lächeln war suspekt.
    »Scheren Sie sich zum Teufel!« sagte er mit schwerer Zunge. Er rutschte vom Barhocker und torkelte ins Freie.
    Das Wageninnere roch nach Leder. Die Straßenschilder huschten an ihm vorüber, und ihm kam vage zu Bewußtsein, daß er auf der M1 war. Er hatte kein festes Ziel vor Augen. Er fuhr, weil das Fahren seine Aufmerksamkeit auf die Straße lenkte.
    Richard!
    Viktors Psi-Stimme zerriß seine angenehme Müdigkeit.
    Verschwinde! Ich will nichts mit dir zu tun hüben!
    Du machst mir Vorwürfe, weil ich Annette nicht geholfen habe. Aber kein Mensch hätte das vermocht.
    Du lügst!
    Nein, Richard. Du mußt mir glauben. Du bist krank, begreifst du das nicht? Warum legst du nicht eine Pause ein? Danach könnten wir nach Alsdale fahren. Die anderen werden dir helfen …
    Alsdale – das hast du immer gewollt, nicht wahr? Aber Annette war dir im Weg.
    Du willst mich nicht verstehen, Richard. Du hast mich nie wirklich akzeptiert, du hattest nicht die Absicht, etwas mit mir zu teilen. Wenn du weniger egoistisch gewesen wärst, hätte ich dir vielleicht helfen können.
    Teilen – mit dir? Du Ungeheuer! Ich muß wahnsinnig gewesen sein, als ich der Symbiose zustimmte!
    Havenlakes ganze Verzweiflung richtete sich gegen Viktor. Aber Viktor zog sich hinter seine undurchdringliche Barriere zurück, ohne die tödliche Herausforderung anzunehmen.
    Havenlake erkannte, daß seine Bemühungen fruchtlos waren, und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. Vor ihm bummelten ein paar schwere Laster. Er wechselte auf die Überholspur und gab Gas. Der Wagen jagte vorwärts. Die Nadel des Tachometers kletterte höher.
    Er verließ die Überholspur auch nicht, als er an den Lastern vorbei war. Der Tacho zeigte hundertsechzig an, und er spürte ein Vibrieren in der Lenksäule. Bei dieser Geschwindigkeit machten sich die schlecht ausgewuchteten Räder bemerkbar. Er achtete nicht auf die Warnung. Des Dahinjagen vermittelte ihm zum erstenmal seit Tagen ein Gefühl der Befreiung.
    Eine halbe Meile weiter vorn sah er die Betonpfeiler einer Eisenbahnbrücke. Und in diesem Moment wußte er, was er zu tun hatte. Eine leichte Drehung des Lenkrads , und die leere Welt existierte nicht mehr. Ein Augenblick des Schmerzes, dann war alles vorbei.
    Der Motor heulte auf, als er das Gaspedal bis zum Boden durchtrat. Die Betonpfeiler ragten dicht vor ihm auf…
    Dann, abrupt, verschwand alles. Er fühlte nichts mehr. Weder seine Hände am Steuer, noch den Druck der Sitzlehne im Rücken. Er war vollkommen blind. Er

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