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Esper unter uns

Esper unter uns

Titel: Esper unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Morgan
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schmerzgequälte Gesicht ihrer sterbenden Großmutter, und die Tränen rollten über ihre Wangen.
    Sie war überrascht gewesen, als sie festgestellt hatte, daß selbst die schmerzlichsten Erinnerungen erträglich waren. Zuerst hatte sie einem fehlerhaften organischen Playbackmechanismus die Schuld gegeben, der die so grausamen Höhepunkte der schmerzhaften Erinnerungen einfach ausgelassen hatte, doch später erkannte sie den wahren Grund: die absolute Akzeptierung raubt solchen Traumata die Kraft, Schmerzen zu verursachen. Diese Ereignisse, ob nun gut oder schlimm, hatten sich alle in der Vergangenheit zugetragen. Sie waren nicht zu ändern, und darum war es auch sinnlos, sich gegen sie aufzulehnen. Gelassen alles hinnehmend, gestattete sie ihrem Erinnerungsstrom, sie, wohin immer er auch wollte, zu tragen.
    Da jegliche Verbindung nach außen unterbrochen war und sie in ihrem solipsistischen, nur aus ihrer Vergangenheit bestehenden Universum schwebte, existierten Gegenwart und Zukunft nicht mehr für sie. Sie hatte keine Sehnsucht nach der Welt draußen, nicht einmal nach George, denn er war in so vielen der Episoden mit ihr. Und ihrer Welt fehlten alle Stacheln und scharfen Kanten, so war Ella glücklich, für immer in ihr bleiben zu dürfen.
    Die lästige Störung kam als vorsichtig sondierender Eindringling und erinnerte sie, daß es die Außenwelt noch gab. Sie wehrte sich dagegen und beschwor die Traumwelt ihrer Erinnerung herauf, aber selbst in dieser vertrauten Umgebung gab es kein Verstecken vor dem entschlossenen Störenfried. Sie hörte eine Bewegung und als sie aufblickte, sah sie einen lächelnden, rothaarigen Mann neben sich stehen.
    »Hallo, Ella.«
    »Wer sind Sie?«
    »Haben Sie keine Angst. Ich bin gekommen, um Ihnen zu helfen.«
    Plötzlich wurde sie ärgerlich über die Störung. »Ich brauche Ihre Hilfe nicht. Gehen Sie und lassen Sie mich in Frieden.«
    »Nein, Ella, das darf ich nicht«, sagte der Fremde sanft. »Sie mögen im Augenblick vielleicht glücklich sein, aber Sie können nicht immer in ihrer eigenen Vergangenheit versunken bleiben.«
    Sie stampfte hilflos mit den Füßen auf das weiche Gras. »Nein, nein, ich bleibe hier! Geh weg, du!«
    »Wie alt bist du, Ella?« fragte der lächelnde Mann.
    »Neuneinhalb. Aber das geht dich gar nichts an. Mama sagt, ich darf nicht mit Fremden sprechen.«
    »Sehr vernünftig. Aber deine Mama möchte bestimmt, daß du mit mir sprichst.«
    »Ich – ich weiß nicht …«, murmelte sie unentschlossen.
    »Nimm meine Hand, Ella.«
    Dads Hände waren rauh und narbig von der Arbeit in den Minen, aber dieser rothaarige Mann hatte glatte, rosige.
    »Wohin gehen wir?« fragte sie. »Heim, natürlich.«
    »Zu Mama?«
    »Nein, Ella – zu deinem echten Zuhause, zurück zu jemandem, der dich braucht. Zu George.«
    George! Der Name öffnete eine Falltür unter ihren Füßen, und sie stürzte vorbei an kaleidoskopischen Erinnerungsscherben, die nicht mehr als verstreute Eindrücke waren, bis sie endlich zur Ruhe kam.
    Der Mann hielt sie nicht mehr an der Hand. Er stand mehrere Schritte entfernt an einem Bett in einem kremfarbig getünchten Zimmer. Jemand lag auf dem Bett. Etwas erschien ihr vertraut an den bleichen Zügen unter der engen rosa Bandagenklappe. Großmama? Nein, zwar bestand eine Ähnlichkeit, aber das Gesicht war jünger und wies weniger Falten auf. »Wer ist sie?«
    »Sie, Ella – Sie selbst!«
    Sie wich zurück. »Nein! Sie ist alt und häßlich …«
    »Nein, Ella, weder alt noch häßlich, aber krank, und sie braucht dringend Hilfe – Hilfe, die Sie und ich ihr geben können.«
    Ella war verwirrt. »Ich verstehe nicht. Sie sagten doch gerade, sie sei ich, oder vielmehr ich sie … Wie ist das möglich, wenn ich hier stehe und sie betrachte?«
    »Sie sehen sich durch meine Augen, denn während ich Sie ansehe, befinde ich mich gleichzeitig auch in Ihrem Geist.«
    »Nein! Ich will zurück!« Die Zimmerwände schienen zu verschwimmen und durchsichtig zu werden. Dahinter sah sie das grüne Gras und den Sonnenschein eines Kindheitssommers.
    »Sie dürfen nicht zurück!« Die Stimme des rothaarigen Fremden war ernst und sein Gesicht streng und befehlend.
    Die Wände wurden wieder fest, und die Sommerszene war nur noch eine von der Zeit verdrängte Erinnerung.
    »Ja – Erinnerungen«, sagte der Mann. »Träume aus der Vergangenheit.«
    »Sie können meine Gedanken hören!« sagte sie entrüstet. »Das haben Sie meinem Kopf entnommen.«
    »Ich sagte es

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