Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade
versalzen.«
Rosaura gab prompt vor, ihr sei übel und schwindelig, und aß nicht mehr als drei Bissen. Mit Gertrudis hingegen ging etwas Seltsames vor.
Offensichtlich entfaltete diese Speise bei ihr, noch während des Verzehrs, eine aphrodisische Wirkung, denn sie begann zu spüren, wie eine starke Hitze an der Innenseite ihrer Schenkel aufstieg. Ein Kitzeln in der Leibesmitte hinderte sie immer eindringlicher daran, sittsam auf ihrem Stuhl sitzen zu bleiben. Sie fing an zu schwitzen und konnte sich der Vorstellung kaum noch erwehren, sie säße rittlings auf einem Pferd, in den Armen eines Villa-Anhängers, den sie eine Woche zuvor beim Einmarsch auf dem Dorfplatz entdeckt hatte, vom Geruch nach Schweiß und Erde, nach gefahrenumwitterten und ungewissen Morgenden, nach Leben und Tod umgeben. Gemeinsam mit Chencha, der Magd, war sie auf dem Weg zum Markt gewesen, als sie ihn über die Hauptstraße aus der Richtung von Piedras Negras her nahen sah. Er hatte augenscheinlich als Hauptmann des Trupps die Soldaten angeführt. Ihre Blicke hatten sich gekreuzt, und was sie in seinen Augen zu lesen vermeinte, hatte sie erschaudern lassen. Viele gemeinsame Nächte am Lagerfeuer hatte sie dort gesehen, in denen er sich nach einer Frau sehnte, die er küssen, nach einer Frau, die er in die Arme schließen würde, einer Frau ... wie sie. Sie zog ihr Taschentuch hervor und machte Anstrengungen, sich mit den Schweißtropfen auch alle sündigen Gedanken aus dem Kopf zu wischen.
Doch es war zwecklos, etwas schier Unerklärliches ging in ihr vor. Hilfesuchend blickte sie zu Tita, doch diese war abwesend, ihr Körper saß zwar auf dem Stuhl, und das in völlig korrekter Haltung, doch ihre Augen ließen kein Lebenszeichen erkennen. Es machte tatsächlich den Eindruck, als habe ihr Geist sich durch irgendeinen mysteriösen Vorgang der Alchimie in der Rosenblütensauce, in den Wachteln, im Wein und in jedem einzelnen der Düfte dieser Speise aufgelöst. Auf diese Weise drang sie in Pedros Körper ein, wollüstig, aromatisch, wohlig erhitzt und voller Sinnenlust.
Man mochte meinen, sie habe einen neuen Code zur geheimen Verständigung entdeckt, bei dem Tita als Sender wirkte, Pedro als Empfänger und Gertrudis als glückliche Nutznießerin jenes wundersamen Geschlechtsaktes, der sich über das Essen vollzog.
Pedro widersetzte sich nicht, ja er ließ Tita bis in den letzten Winkel seines Seins eindringen, ohne daß sie den Blick voneinander wenden konnten. Da entfuhr ihm die Bemerkung:
»Nie zuvor habe ich etwas derart Erlesenes kosten dürfen, ich danke Ihnen.«
In der Tat ist dieses Gericht eine besondere Delikatesse. Die Rosen verleihen dem Geflügel ein höchst spezielles, subtiles Aroma.
Sobald die Blütenblätter entfernt sind, zerreibt man sie gemeinsam mit dem Anis im Mörser. Dann röstet man die Kastanien einzeln auf dem Comal, schält sie und kocht sie in Wasser weich. Danach werden sie püriert. Der Knoblauch wird ganz fein gehackt und in Butter gedünstet, bis er goldbraun ist. Man fügt das Kastanienmus, den Honig, die zerkleinerte Pita-Frucht, die Rosenblätter und Salz nach Geschmack hinzu. Damit die Sauce sämiger wird, kann man zwei Löffel Maisstärke untermischen. Zum Schluß gibt man alles durch ein Sieb, schmeckt mit höchstens zwei Tropfen Rosenwasser ab, um eine zu intensive Wirkung zu vermeiden, und nimmt es vom Feuer. Die Wachteln dürfen nicht mehr als zehn Minuten darin ziehen, damit sie nur eben einen Hauch dieses Aromas annehmen, und dann holt man sie wieder heraus.
Die Rosenblätter haben eine so durchdringende Wirkung, daß dem Mörser, den man zum Mahlen der Blätter benutzt hat, noch tagelang ihr Parfum anhaftet.
Für den Abwasch des Mörsers samt aller anderen schmutzigen Küchengeräte war eigentlich Gertrudis verantwortlich. Diese Arbeit verrichtete sie normaler weise nach der Mahlzeit im Patio, wo sie gleichzeitig die Gelegenheit nutzte, den Haustieren die Essensreste aus den Töpfen vorzuwerfen. Im übrigen wusch sie die Küchengerätschaften wegen ihrer beträchtlichen Größe lieber im Waschbottich. Doch am Tag des Wachtelessens machte sie eine Ausnahme und bat Tita darum, ihr diese Aufgabe nur das eine Mal abzunehmen. Gertrudis fühlte sich augenblicklich einer solchen Anstrengung beim besten Willen nicht gewachsen, da sie unaufhörlich am ganzen Körper schwitzte. Die Tropfen, die ihr aus den Poren rannen, waren rosa verfärbt und strömten einen durchdringenden, wahrhaft betörenden
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