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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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Rosenblättern
     
    ZUTATEN:
    12 Rosen, möglichst rot
    12 Kastanien
    2 Löffel Butter
    2 Löffel Maisstärke
    2 Tropfen Rosenwasser
    2 Löffel Anis
    2 Löffel Honig
    2 Knoblauchzehen
    6 Wachteln
    1 Pita-Frucht
     
    ZUBEREITUNG:
     
    Die Blütenblätter werden behutsam von den Rosen abgezupft, wobei darauf zu achten ist, daß man sich nicht an den Dornen sticht, denn die Stiche sind nicht nur äußerst schmerzhaft, sondern das Blut könnte auch an den Blütenblättern haften bleiben. Dies würde möglicherweise den Geschmack des Gerichts beeinträchtigen und, was noch schlimmer ist, eine nicht ungefährliche chemische Reaktion hervorrufen.
    Doch Tita war nicht in der Verfassung, dieses geringfügige Detail zu beachten angesichts ihrer tiefen Ergriffenheit, als Pedro ihr eigenhändig einen Strauß Rosen überreichte. Es war die erste stärkere Gemütsregung, die sie seit dem Hochzeitstag ihrer Schwester empfand, als sie nämlich aus Pedros Mund vernommen hatte, wie sehr er sie liebte, und sie es tunlichst vor den Augen der anderen zu verbergen gesucht hatte. Mama Elena, deren geschärfter Wachsamkeit nicht das Geringste entging, konnte sich ausmalen, was geschehen würde, wenn Pedro und Tita Gelegenheit bekämen, allein zu sein. Aus diesem Grund hatte sie bisher alle erdenklichen Vorkehrungen getroffen, so daß es ihr tatsächlich meisterhaft gelungen war, beide einander fernzuhalten und dafür zu sorgen, daß sie sich kaum zu Gesicht bekamen. Ein winziges Detail war ihr freilich entgangen: Seit Nachas Tod war Tita als einzige der Frauen im Hause in der Lage, deren Platz in der Küche einzunehmen, dort allerdings entzogen sich der Geschmack, der Duft und die Konsistenz der Speisen sowie ihre möglichen Auswirkungen Mama Elenas sonst so strenger Kontrolle.
    Tita war das letzte Glied einer aussterbenden, bis vor die Kolonialzeit zurückreichenden Kette von Köchinnen, die ihre Küchengeheimnisse von Generation zu Generation weitergegeben hatten, und sie galt als einzige Vertreterin dieser wunderbaren kulinarischen Kunst. Deshalb wurde ihre Ernennung zur offiziellen Köchin der Farm allerseits gutgeheißen. Tita nahm das Amt trotz des Schmerzes, den ihr Nachas Fehlen bereitete, freudig an.
    Deren Tod hatte Tita in eine tiefe Depression gestürzt. Durch Nachas Ableben war sie mutterseelenallein zurückgeblieben. Für Tita war es nicht anders, als wäre ihre eigentliche Mutter gestorben. Pedro wollte ihr darüber hinweghelfen und meinte, es sei eine nette Geste, ihr zur Feier ihres ersten Jahrestags als Hausköchin einen Blumenstrauß zu schenken. Doch Rosaura - die ihr erstes Kind erwartete - hätte dem niemals zugestimmt, und sobald sie ihn mit dem Blumenstrauß in der Hand hereinkommen sah und ihr klar wurde, daß er ihn Tita und nicht ihr überreichen wollte, rannte sie von Weinkrämpfen geschüttelt hinaus.
    Mit einem einzigen Blick hieß Mama Elena Tita, den Raum zu verlassen und sich umgehend der Rosen zu entledigen. Pedro bemerkte seine Kühnheit zu spät. Doch Mama Elena bedeutete ihm mit einer entsprechenden Geste, noch sei es Zeit, den angerichteten Schaden wieder gutzumachen. Also stammelte er einige Worte der Entschuldigung und lief hinaus, um Rosaura zu suchen. Tita preßte die Rosen mit solcher Gewalt an die Brust, daß die Blüten, die zuvor rosa waren, sich nun, als sie die Küche betrat, vom Blut ihrer Hände und ihrer Brust rot verfärbten. Rasch mußte sie sich einfallen lassen, was sie mit den Rosen machen wollte. Sie waren so wunderschön! Undenkbar, sie auf den Müll zu werfen, nicht nur, weil sie nie zuvor Blumen erhalten hatte, sondern vor allem, weil sie von Pedro waren. Plötzlich vernahm sie ganz deutlich Nachas Stimme, die ihr ein Rezept aus der Vorkolonialzeit zur Verwendung von Rosenblättern einflüsterte. Tita hatte es halb vergessen, denn für dieses Gericht brauchte man Fasane, und auf der Farm war diese Geflügelart niemals gehalten worden.
    Als einziges standen Wachteln zur Verfügung, so daß sie beschloß, das Rezept geringfügig abzuwandeln, um die Blumen zu verarbeiten.
    Kurzentschlossen ging sie auf den Hof hinaus, um Wachteln einzufangen. Nachdem sie sechs erwischt und diese in die Küche gebracht hatte, machte Tita sich daran, sie zu töten, was ihr indes nicht leichtfiel, nachdem sie die Vögel so lange Zeit gehegt und gefüttert hatte.
    Sie holte tief Atem, packte die erste Wachtel und drehte ihr den Hals um, wie sie es bei Nacha so oft beobachtet hatte. Doch augenscheinlich

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