Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade
Rosenduft aus. Sie verspürte den unwiderstehlichen Drang nach einem Bad und lief eilig los, um die nötigen Vorkehrungen zu treffen.
Im hinteren Teil des Patios, der an die Stallungen und die Getreidespeicher angrenzte, hatte Mama Elena eine behelfsmäßige Duschvorrichtung anbringen lassen. Es handelte sich um eine kleine, aus Holzplanken zusammengezimmerte Kammer, nur daß zwischen den einzelnen Brettern ein so breiter Spalt blieb, daß man unfreiwillig einen Blick auf die Person werfen konnte, die gerade dort ein Bad nahm. Immerhin handelte es sich um die erste Dusche, die das Dorf je gesehen hatte. Einer von Mama Elenas Vettern, der in San Antonio, Texas, lebte, hatte diese Konstruktion erfunden. Sie wurde durch einen zwei Meter hohen Kasten versorgt, der 40 Liter faßte, vor dem Bad aufgefüllt werden mußte und dann mit Hilfe der Schwerkraft funktionierte. Es bedeutete harte Arbeit, die randvollen Wassereimer über eine Holzleiter hinauf- zuschaffen, doch danach war es eine Wohltat, wenn man nur den Hahn aufzudrehen brauchte und in den Genuß des kräftigen Wasserstrahls kam, der sich nicht einzeln geschöpft, sondern in vollem Schwung über den gesamten Körper ergoß. Jahre später sollten die Gringos diesen Vetter mit einer Lappalie für seine grandiose Erfindung abfinden, um das System anschließend zu perfektionieren. Sie konstruierten Abertausende von Duschen, ohne den besagten Tank zu benötigen, da das System mit Hilfe von Wasserleitungen betrieben wurde.
Wenn Gertrudis das in jenem Augenblick gewußt hätte! Die Ärmste schleppte mindestens zehn bleischwere Wassereimer die Leiter hinauf. Es fehlte nicht viel, und sie wäre in Ohnmacht gefallen, so sehr schürte diese geradezu unmenschliche Anstrengung in ihr die Glut des alles verzehrenden Feuers.
Einzig die Aussicht auf das erfrischende Bad, das sie erwartete, hielt sie aufrecht, doch unglückseligerweise konnte sie es am Ende doch nicht genießen, denn der Wasserstrahl, der aus der Dusche trat, kam erst gar nicht so weit, ihren Körper zu berühren: bevor er ihn auch nur streifte, war er bereits verzischt. Gertrudis' innere Glut war so heftig, daß die Holzbretter schließlich zu ächzen begannen und es nicht lange dauerte, bis sie Funken sprühten. Da sie es plötzlich mit der Angst zu tun bekam, sie würde in den Flammen umkommen, flüchtete Gertrudis panikartig aus dem Holzverschlag, und zwar so wie sie war, splitterfasernackt.
Im Handumdrehen hatte der Rosenduft, den ihr Körper ausströmte, sich in beträchtlichem Umkreis verbreitet. Ja er war bis über das Dorf hinaus vorgedrungen, wo die Revolutionäre und die Federales, die regimetreuen Truppen, sich soeben eine blutige Schlacht lieferten. Unter ihnen tat sich jener Villa-Anhänger, der eine Woche zuvor in Piedras Negras Einzug gehalten hatte und Gertrudis auf dem Dorfplatz begegnet war, durch besondere Tapferkeit hervor.
Eine rosige Duftwolke erreichte ihn, hüllte ihn ein und bewirkte, daß er unversehens in wildem Galopp Mama Elenas Farm entgegeneilte. Ohne zu wissen warum, hatte Juan, so hieß dieser Mann, dem Schlachtfeld den Rücken gekehrt und dort einen der Feinde mehr tot als lebendig zurückgelassen. Eine höhere Macht lenkte sein Tun. Er wurde vom überwältigenden Verlangen getrieben, so schnell wie möglich an einem nicht näher bestimmten Ort nach etwas Unbekanntem zu suchen. Dieses zu finden, fiel ihm freilich nicht weiter schwer. Er brauchte nur dem Duft von Gertrudis' Körper zu folgen und kam noch gerade rechtzeitig an sein Ziel, um zu erleben, wie sie mitten über das Feld davonlief. Nun wußte er, warum es ihn magisch hierhergezogen hatte. Jene Frau verlangte es gebieterisch danach, ein Mann möge ihr die Glut löschen, die ihre Eingeweide verzehrte. Ein Mann, der sich nicht weniger nach Liebe sehnte als sie, ein Mann wie er.
Gertrudis hielt im Lauf inne, als sie ihn herannahen sah. Nackt wie sie war, mit gelöstem, bis zur Taille reichendem Haar und einem weithin sichtbaren Leuchten, verkörperte sie eine Art Synthese zwischen Engel und Teufel in Frauengestalt. Ihr liebliches Antlitz und der vollkommene, makellose Körper einer Jungfrau standen in krassem Gegensatz zu der Wollust, die ihr nicht nur aus den Augen, sondern auch aus sämtlichen Poren sprach. Diese Details, verbunden mit den sexuellen Gelüsten, die Juan so lange Zeit während des Kampfes in der Sierra unterdrückt hatte, machten die Begegnung der beiden fürwahr zu einem Spektakel.
Von Ungeduld
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