Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade
tröstete sie sich mit dem Gedanken, sicherlich hielte sich Gertrudis in der Nähe einer Feuerstelle auf, in den schützenden Armen ihres Mannes, der sie wärmte.
Plötzlich kam ihr eine Erleuchtung, und sie hob den Blick zum sternenklaren Himmel empor. Sie wußte doch, wie stark das Feuer eines Blickes sein konnte, hatte sie das nicht am eigenen Leib erfahren?
Es wäre sogar in der Lage, die Sonne zu entfachen. Unter diesen Umständen fragte sie sich, was wohl passieren würde, sobald Gertrudis zu einem Stern aufschaute. Ganz bestimmt würde die von der Liebe entfachte Wärme ihres Körpers mit dem Blick ohne den geringsten Energieverlust das endlose Weltall durchqueren, bis sie schließlich auf den betrachteten Stern fallen würde. Jene riesigen Himmelskörper haben Abermillionen von Jahren überlebt dank ihrer Sorgfalt, eben jene Strahlen, die alle in Liebe entbrannten Erdenkinder in die Nacht hinaussenden, erfolgreich abzuwehren. Denn anderenfalls entstünde so viel Energie in ihrem Kern, daß sie in tausend Stücke zerspringen würden. Daher stoßen sie, wenn sie einen Blick auffangen, diesen sogleich wieder ab und werfen ihn in Form von vielfachen Spiegelreflexen auf die Erde zurück. Das ist auch die Erklärung für ihre starke Leuchtkraft in der Nacht. So schöpfte Tita nun Hoffnung, sie könne in der Lage sein, falls sie aus allen Sternen am Firmament den einen ausfindig machte, auf den gerade in diesem Augenblick ihre Schwester schaute, nur ein ganz klein wenig von der reflektierten Wärme einzufangen, die Gertrudis übrig hatte.
Dies sollte freilich nur eine Hoffnung bleiben, denn so aufmerksam sie auch jeden einzelnen Stern am Firmament erforschte, so spürte sie doch nicht die mindeste Wärme, ganz im Gegenteil. Von Kälte geschüttelt, flüchtete sie sich schließlich in ihr Bett, überzeugt, daß Gertrudis inzwischen längst die Augen geschlossen hatte und friedlich schlief, was erklärte, warum ihr Versuch fehlgeschlagen war. Da verkroch sie sich zutiefst unter ihrer Decke, die sie zu diesem Zeitpunkt bereits dreifach übereinanderschlagen konnte, rekapitulierte ein letztes Mal das Rezept, das sie aufgezeichnet hatte, um sich zu vergewissern, daß sie nichts vergessen hatte, und schloß dann mit dem Zusatz: »Heute, als wir dieses Gericht aßen, lief Gertrudis von zu Hause fort.«
FORTSETZUNG FOLGT...
Nächstes Rezept:
Puter in Mole mit Mandeln und Sesamsamen
KAPITEL VIER
APRIL:
Puter in Mole
mit Mandeln und Sesamsamen
ZUTATEN:
1/4 Mulato-Pfefferschote
3 Pasilla-Pfefferschoten
3 Ancho-Pfefferschoten
1 Handvoll Mandeln
1 Handvoll Sesamsamen
Puterbrühe
Croissant
Erdnüsse
1/2 Zwiebel
Wein
2 mexikanische Schokoladentaler
Anis
Schmalz
Nelken
Zimt
Pfeffer
Zucker
Chili-Samen
5 Knoblauchzehen
ZUBEREITUNG:
Zwei Tage nach dem Schlachten werden die Puter gut abgewaschen und in Salzwasser gekocht. Bei sorgfältigem Mästen erhält das Puterfleisch ein besonders feines und saftiges Aroma. Dazu müssen die Tiere in Gehegen gehalten werden und reichlich Mais und Wasser bekommen, wobei auf peinliche Sauberkeit zu achten ist.
Zwei Wochen vor dem angesetzten Schlachttermin beginnt man, die Truthähne mit kleinen Nüssen zu mästen. Am ersten Tag gibt man ihnen eine Nuß zum Futter hinzu, am zweiten Tag bekommen sie zwei in den Schnabel, und so steigert man die Ration in den folgenden Tagen bis zum letzten Abend, wobei man sie soviel Mais fressen läßt, wie sie wollen.
Tita wachte strengstens darüber, daß die Mast vorschriftsmäßig durchgeführt wurde, war ihr doch mächtig daran gelegen, ein so einmaliges Familienfest, wie es ihnen aus Anlaß eines so freudigen Ereignisses demnächst ins Haus stand, zum Erfolg werden zu lassen: Es sollte nämlich die Taufe ihres frisch geborenen Neffen, Pedros und Rosauras ersten Kindes, gefeiert werden. Diese Begebenheit verdiente es, mit einem entsprechend spektakulären Festmahl begangen zu werden, wobei der obligatorische Mole unter keinen Umständen fehlen durfte. Es war sogar eigens ein Tongeschirr angefertigt worden, das den Namenszug Roberto tragen sollte, so hieß der begnadete Nachwuchs, dem Verwandte und Freunde der Familie pausenlos mit Taufgeschenken ihre Aufwartung machten. Tita hatte entgegen allen Erwartungen die kleine Kreatur im Handumdrehen liebgewonnen; ja, Robertito hatte ihr Herz im Sturm erobert und sie jäh vergessen lassen, daß er immerhin der Verbindung zwischen ihrer Schwester und Pedro, dem
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