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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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erschaudern. Es war ein ungewöhnlicher Geruch in diesem Haus. Da öffnete John auch schon die Tür und brachte ein Tablett mit einem Teller voller Ochsenschwanzsuppe herein!
    Eine Ochsenschwanzsuppe! Sie konnte es nicht glauben. Hinter John trat Chencha ein, in Tränen aufgelöst. Sie umarmten sich nur kurz, um zu vermeiden, daß die Suppe abkühlte. Als Tita den ersten Löffel schlürfte, erschien Nacha an ihrer Seite und strich ihr beim Essen über den Kopf, so wie sie es so oft in der Kindheit getan hatte, wenn Tita krank war, und dann gab sie ihr immer wieder liebevolle Küsse auf die Stirn. Da tauchte, gemeinsam mit Nacha, alles erneut auf, die Spiele ihrer Kindheit in der Küche, die Einkäufe auf dem Markt, die frisch gebackenen Tortillas, die bunt bemalten Aprikosenkerne, die Weihnachtstortas, ihr Heim, der Geruch nach kochender Milch, Cremetörtchen, Champurrado, Kümmel, Knoblauch und Zwiebeln. Wie seit jeher schössen ihr, als sie die Zwiebeln roch, unvermittelt die Tränen in die Augen. Sie weinte, wie nie mehr seit dem Tag ihrer Geburt. Es tat ihr so gut, eine geraume Weile mit Nacha zu schwatzen. Sie fühlte sich in die alten Zeiten zurückversetzt, als Nacha noch lebte und sie unzählige Male gemeinsam Ochsenschwanzsuppe kochten. Bei der Erinnerung an solche Momente lachten und weinten sie, während sie sich gegenseitig die Einzelheiten dieses Rezepts ins Gedächtnis riefen. Endlich war Tita wieder ein Gericht eingefallen, als sie an das einleitende Zwiebelschneiden dachte.
    Zwiebel und Knoblauch werden feingehackt und in etwas Öl angebraten; sobald sie goldbraun sind, werden die Kartoffeln, die Bohnen und die kleingeschnittenen Tomaten hinzugefügt und so lange geschmort, bis alles weich ist.
    John unterbrach jäh diesen Moment der Rückbesinnung, als er von der Überschwemmung auf der Treppe alarmiert, aufgeregt ins Zimmer stürzte.
    Sobald er freilich feststellte, daß es sich um Titas Tränen handelte, pries er überschwenglich Chencha und ihre Ochsenschwanzsuppe, denn sie hatte etwas erreicht, das ihm mit all seiner Medizin beim besten Willen nicht gelungen war: daß Tita endlich einmal alles herausweinte. Dann aber schämte er sich, daß er so hereingeplatzt war, und machte Anstalten, sich wieder zurückzuziehen. Doch Titas Stimme hinderte ihn daran. Diese melodische Stimme, die seit sechs Monaten kein einziges Wort mehr hervorgebracht hatte.
    »John, bitte gehen Sie noch nicht!«
    Da blieb John bei ihr und wurde Zeuge, wie Tita abwechselnd in Tränen und in Lachen ausbrach, während sie aus Chenchas Mund allen möglichen Klatsch und Tratsch hörte. Auf diese Weise erfuhr der Doktor, daß Mama Elena alle Besuche bei Tita untersagt hatte. In der Familie De la Garza war man durchaus bereit, einiges nachzusehen, nicht aber Ungehorsam oder Auflehnung gegen elterliche Weisungen. Mama Elena würde Tita niemals verzeihen, daß diese, verrückt oder nicht verrückt, ihr die Schuld am Tod ihres Neffen gab. Und genau wie im Fall von Gertrudis hatte sie sich verbeten, daß irgend jemand auch nur Titas Namen im Munde führte.
    Nun gut, Nicolás war vor kurzem mit einer Nachricht von Gertrudis zurückgekehrt.
    Tatsächlich hatte er sie bei der Arbeit in einem Bordell angetroffen. Er hatte ihr die Kleider und sie ihm einen Brief für Tita überreicht. Chencha gab ihn jetzt Tita, und diese las ihn schweigend durch:
     
    »Liebe Tita:
    Du weißt gar nicht, wie dankbar ich Dir bin, daß Du mir meine Kleider geschickt hast. Zum Glück war ich noch hier und konnte sie in Empfang nehmen. Morgen werde ich diesen Ort nämlich verlassen, denn ich passe hier nicht her. Noch weiß ich nicht, wo ich hingehöre, doch bin ich sicher, daß ich den mir bestimmten Ort irgendwo finden werde. Wenn ich hierhin geraten bin, so weil ich ein ungeheures Feuer verspürte, das mich innerlich verzehrte; dem Mann, der mich auf dem Feld aufgelesen hat, verdanke ich praktisch das Leben. Hoffentlich werde ich ihn eines Tages wiederfinden. Er hat mich hier zurückgelassen, denn an meiner Seite schwanden ihm allmählich die Kräfte, ohne daß es ihm gelungen wäre, mein inneres Feuer zu löschen. Nun endlich, nachdem eine Unzahl von Männern bei mir ein- und ausgegangen ist, spüre ich eine riesige Erleichterung. Vielleicht kehre ich eines Tages heim und kann Dir dann alles erklären.
    In Liebe, Deine Schwester Gertrudis.«
     
    Tita steckte den Brief in die Tasche ihres Kleides und sagte kein Wort. Die Tatsache freilich, daß Chencha nicht

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