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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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zu stillen und die Wunde zu schließen, wird diese mit Zunderschwamm von Pappeln oder einem Tuch abgedeckt und ein Umschlag aus in Milch eingeweichten Brotkrumen darauf gegeben, der nicht eher entfernt wird, bis die Wunden völlig verheilt sind.
    Mary befolgte diese Regeln peinlich genau, und dennoch, als sie die Blutegel von Peters Arm löste, begann das Blut zu strömen, ohne daß sie es zu stillen vermochte. Als »die Kikapú« die verzweifelten Schreie aus dem Haus vernahm, kam sie herbeigelaufen, um zu sehen, was geschehen war. Sie ging geradewegs auf den Kranken zu, legte ihm eine Hand auf die Wunden und bewirkte so den sofortigen Stillstand der Blutung. Allen Anwesenden verschlug es die Sprache. Da bat sie, man möge sie eine Weile mit dem Kranken allein lassen. Niemand wagte es, ihr nach dem, was man gerade mitangesehen hatte, noch zu widersprechen. Den ganzen Nachmittag verbrachte sie an der Seite ihres Schwiegervaters, sang ihm fremdartige Melodien vor und legte ihm im Dunst von Räucherwerk und Kopalharz, das sie angezündet hatte, Kräuterumschläge auf. Erst spät am Abend öffnete sie die Tür des Schlafgemachs und trat, in dicke Räucherschwaden gehüllt, aus der Tür, dicht gefolgt von Peter, der wieder vollkommen wohlauf war.
    Von jenem Tag an avancierte »die Kikapú« zur Hausärztin und wurde von der gesamten Kolonie der Nordamerikaner als wundertätige Heilkundige anerkannt. Der Großvater wollte ihr ein geräumigeres Labor einrichten, damit sie ihren Forschungen weiterhin nachgehen konnte, doch sie lehnte ab. Einen besseren Ort als ihr kleines Labor konnte es im ganzen Haus nicht geben. Dort hatte auch John einen Großteil seiner Kindheit und Jugend verbracht. Als er die Universität besuchte, blieb er dem Labor schließlich fern, denn die modernen Lehren der Medizin, die er danach studierte, widersprachen grundlegend dem, was er von seiner Großmutter gelernt hatte. Je mehr sich jedoch die Medizin weiterentwickelte, desto stärker wandte John sich wieder den Kenntnissen zu, die ihm seine Großmutter zunächst vermittelt hatte, und nun, nach so vielen Jahren, die er dem Studium und der Praxis gewidmet hatte, kehrte er in das Labor zurück, überzeugt davon, nur hier würde sich ihm die letzte Weisheit der Medizin erschließen. Womöglich könnte er ihr sogar zu allgemeiner Anerkennung verhelfen, sollte es ihm gelingen, all die wundersamen Heilpraktiken, die »Morgenlicht« beherrscht hatte, mit wissenschaftlichen Methoden zu belegen.
    Tita genoß es, Doktor Brown bei der Arbeit zuzuschauen. Mit ihm gab es immer neue Dinge zu lernen und zu entdecken, wie gerade jetzt, da er ihr während der Fabrikation der Streichhölzer eine umfassende Lektion über Phosphor und seine Eigenschaften erteilte.
    »1669 entdeckte der Hamburger Alchimist Brand bei der Suche nach dem Stein der Weisen den Phosphor. Er hatte geglaubt, durch die Verbindung von Urin mit Metall würde Gold entstehen. Was er jedoch erhielt, war eine leuchtende Substanz, die in einer bislang beispiellosen Intensität strahlte. Lange Zeit erzeugte man Phosphor durch die vollständige Verbrennung der Rückstände von verdunstetem Urin in einer tönernen Retorte, die mit dem Hals in Wasser getaucht wurde. Heute wird er aus Tierknochen gewonnen, die Phosphorsäure und Kalk enthalten.«
    Der Doktor schenkte der Herstellung des Phosphor nicht seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Nicht weil er durch die Unterhaltung abgelenkt worden wäre, sondern weil die Koordinierung geistiger und physischer Aktivitäten ihm keinerlei Probleme bereitete. Er konnte sogar über sehr tiefgründige Lebensfragen philosophieren, ohne daß seinen Händen Fehler unterliefen oder sie auch nur für einen Moment innehielten. Also setzte er die Herstellung der Zündhölzer fort, während er sich mit Tita unterhielt.
    »Ist die Zündmasse fertiggestellt, geht man dazu über, die Pappe für die Stifte zu bearbeiten. In einem Liter Wasser löst man ein Pfund Salpeter auf, fügt zur Einfärbung etwas Safran hinzu und weicht die Pappe in dieser Lösung ein. Vor dem Trocknen schneidet man sie in schmale Streifen und taucht die Spitzen in die Masse. Zum Trocknen werden die Streichhölzer in Sand vergraben.«
    Während die Streifen trockneten, führte der Doktor Tita einen Laborversuch vor.
    »Obwohl Phosphor in Sauerstoff bei normaler Temperatur nicht brennt, ist er bei erhöhter Temperatur leicht entzündlich, schauen Sie ...«
    Der Doktor gab ein Stück Phosphor unten in ein an

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