Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade
daß eine Schokolade von hervorragender Qualität ungenießbar wird, ebenso zu starkes Kochen oder das Verpassen des richtigen Moments, Dickflüssigkeit oder Anbrennen der Schokolade.
Das Mittel, um all diese Mißgeschicke zu vermeiden, ist denkbar einfach: Man setzt einen Schokoladentaler mit etwas Wasser aufs Feuer. Es muß ein wenig mehr Wasser sein, als die Schale fassen kann, in der die Schokolade später serviert wird. Sobald das Wasser zu kochen beginnt, nimmt man es vom Feuer, läßt die Schokolade darin schmelzen und rührt dann so lange mit einem Holzquirl, bis sie sich ganz im Wasser aufgelöst hat. Sodann setzt man die Schokolade abermals aufs Feuer. Wenn sie von neuem kocht und aufzusteigen beginnt, nimmt man sie wieder von der Kochstelle, setzt sie dann ein drittes Mal auf und läßt sie nochmals aufkochen. Danach wird sie endgültig heruntergenommen und schließlich aufgeschlagen. Eine Hälfte wird in die Schale gegossen, die andere muß abermals aufgeschlagen werden. Dann reicht man die ganze Schokolade mit einer Schaumkrone. Statt Wasser kann auch Milch verwendet werden; in diesem Fall darf das Getränk jedoch nur einmal aufkochen, beim zweiten Mal schlägt man die Schokolade auf der Kochstelle schaumig, damit sie nicht zu dickflüssig wird. Mit Wasser ist Schokolade bekömmlicher als mit Milch.
Bei jedem Schluck, den Gertrudis aus der Schokoladentasse tat, die vor ihr stand, schloß sie verzückt die Augen. Das Leben wäre um so vieles angenehmer, könnte man sich die einmaligen Geschmacksnuancen und Düfte aus dem Elternhaus überallhin mitnehmen. Das hier war ja eigentlich gar nicht mehr ihr Elternhaus, zumal inzwischen auch die Mutter nicht mehr lebte, wie sie jetzt erst erfahren mußte.
Von dieser traurigen Nachricht, die Tita ihr mitgeteilt hatte, war Gertrudis zutiefst erschüttert. Nur deshalb war sie doch zurückgekehrt: um Mama Elena nämlich zu zeigen, daß sie im Leben triumphiert hatte. Bis zur Generalin des Revolutionsheeres hatte sie es gebracht, was sie sich immerhin hart verdienen mußte, und zwar durch beispiellose Tapferkeit auf dem Schlachtfeld. Die Gabe zu befehlen hatte sie im Blut, weshalb ihr rasanter Aufstieg im Heer bereits kurz nach ihrem Eintritt begonnen hatte, bis sie schließlich den höchsten Grad erreicht und, um ihr Glück voll zu machen, Juan geheiratet hatte und nun nach Hause zurückkehrte. Juan hatte sie nach mehr als einem Jahr, in dem sie sich aus den Augen verloren hatten, durch eine glückliche Fügung wiedergetroffen, und sogleich war die alte Leidenschaft wie am ersten Tag wieder aufgeflammt. Was konnte ein Mensch mehr verlangen! Wie froh wäre sie, wenn ihre Mutter sie so sehen könnte, wie gerne hätte Gertrudis Mama Elena hier angetroffen, sei es auch nur, um noch einmal ihren strafenden Blick zu ertragen, mit dem sie einem etwa bedeutete, man solle die Serviette benutzen, um die Schokoladenreste vom Mund abzuwischen.
Diese Schokolade war zubereitet wie in alten Zeiten. Mit gesenktem Blick schickte Gertrudis insgeheim ein Stoßgebet zum Himmel, Tita möge um Gottes willen noch viele Jahre leben und nach den alten Familienrezepten kochen. Denn weder sie noch Rosaura hatten die nötigen Kenntnisse, um diese Aufgabe zu übernehmen, so daß an dem Tag, da Tita sterben sollte, sie die gesamte Familiengeschichte mit ins Grab nehmen würde. Als alle das Abendessen beendet hatten, gingen sie in den Salon, wo der Tanz eröffnet wurde. Der Salon erstrahlte im Licht unzähliger Kerzen. Juan beeindruckte die Gäste mit seinem herrlichen Spiel auf der Gitarre, auf der Mundharmonika und dem Akkordeon. Gertrudis schlug zu den Stücken, die Juan spielte, mit der Stiefelspitze den Rhythmus.
Stolz blickte sie vom anderen Ende des Salons, wo eine stattliche Gefolgschaft von Verehrern sie umringte und mit Fragen nach ihren Erlebnissen während der Revolution überschüttete, zu Juan hinüber. Lässig eine Zigarette rauchend, erzählte sie haarsträubende Geschichten von Schlachten, an denen sie teilgenommen hatte. Eben war sie dabei, ihre Anbeter mit der detaillierten Schilderung der ersten Erschießung, die sie angeordnet hatte, in Staunen zu versetzen, als sie es plötzlich nicht mehr aushielt, ihre Erzählung abrupt unterbrach und auf die freie Fläche in der Mitte des Salons stürmte, um dort äußerst graziös und geschmeidig zur Polka »Jesusita in Chihuahua« zu tanzen, die Juan meisterhaft auf dem Akkordeon anstimmte. Beim Schwung ihrer Drehungen lüftete sich
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