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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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der Rock ungeniert bis übers Knie.
    Diese Keckheit veranlaßte die dort versammelten Frauen augenblicklich zu entrüsteten Kommentaren. Rosaura flüsterte Tita ins Ohr:
    »Ich weiß gar nicht, wo Gertrudis dieses Gefühl für Rhythmus herhat. Mama schwang nicht eben gerne das Tanzbein, und von Papa heißt es gar, er habe ausgesprochen miserabel getanzt.«
    Tita zuckte nur mit den Achseln, obwohl sie sehr gut wußte, von wem Gertrudis den Sinn für Rhythmus und andere Dinge mehr geerbt hatte. Dieses Geheimnis wollte sie eigentlich mit ins Grab nehmen, doch dann sollte es doch anders kommen. Ein Jahr später gebar Gertrudis nämlich ein Mulattenbaby. Juan gebärdete sich wie wild und drohte gar, sie zu verlassen. Daß Gertrudis wieder in ihre alten Gewohnheiten zurückgefallen sei, könne er ihr nie verzeihen. Unter diesen Umständen sah Tita keinen anderen Ausweg mehr, wollte sie diese Ehe retten, als alles zu offenbaren. Zum Glück hatte sie es nicht gewagt, die Briefe mit der nun im wahrsten Sinne des Wortes »schwarzen« Vergangenheit ihrer Mutter zu verbrennen, denn jetzt dienten sie ihr als stichhaltiger Beweis für Gertrudis' Unschuld.
    So oder so war es für beide ein schwerer Schlag, mit dem sie fertig werden mußten, doch zumindest zerbrach ihre Ehe nicht, und sie lebten bis ans Ende ihrer Tage zusammen, wobei die Anzahl der glücklichen jene überwog, die mit Zank und Streit vergingen.
    Tita kannte freilich nicht nur den Grund für Gertrudis' Rhythmusgefühl, sondern sie wußte auch, warum die Ehe ihrer Schwester Rosaura gescheitert und sie selbst schwanger war.
    Jetzt mußte sie die Suppe, die sie sich eingebrockt hatte, eben irgendwie wieder auslöffeln. Das Gute war nur, daß sie jemanden hatte, dem sie ihr Leid klagen konnte. Sie hoffte, Gertrudis würde noch lange genug auf der Farm bleiben, damit sie ihr alles beichten und sie um Rat fragen könnte. Chencha wiederum wünschte sich genau das Gegenteil. Sie war ganz schön wütend auf Gertrudis, oder besser gesagt nicht direkt auf sie, sondern vielmehr auf die Truppe, die ihr soviel Arbeit bereitete. Statt das Fest zu genießen, mußte sie zu so später Stunde noch einen großen Tisch im Patio aufstellen und Schokolade für sage und schreibe fünfzig Mann bereiten.
     
    FORTSETZUNG FOLGT...
     
    Nächstes Rezept:
    Torreja- Cremekonfekt

 
KAPITEL ZEHN
     
    OKTOBER:
    Torreja-Cremekonfekt
     
    ZUTATEN:
    1 Tasse Sahne
    6 Eier
    Zimt
    Sirup
     
    ZUBEREITUNG:
     
    Die Eier werden aufgeschlagen und das Eigelb vom Eiweiß getrennt. Dann gibt man die sechs Eigelb in die Sahne und rührt beides ganz glatt. Die Creme wird in einen zuvor mit Backfett ausgestrichenen Topf umgefüllt, in dem sie nicht höher als einen Fingerbreit stehen darf. Anschließend kommt das Gefäß aufs Feuer, wo man die Creme bei niedriger Temperatur stocken läßt.
    Tita machte die Torrejas auf Gertrudis' ausdrücklichen Wunsch hin, denn sie waren ihr Lieblingsnachtisch. Seit urewigen Zeiten hatte sie keine Torrejas mehr gegessen und wollte das nun nachholen, bevor sie die Farm am nächsten Tag wieder verlassen würde. Nur eine Woche hatte sie zu Hause verbracht, doch das war schon länger, als sie geplant hatte. Während Gertrudis den Topf einfettete, damit Tita die aufgeschlagene Sahne hineinfüllen konnte, redete sie unaufhörlich wie ein Wasserfall. So viele Dinge hatte sie ihrer Schwester zu erzählen, daß nicht einmal ein Monat mit vollen 24 Stunden pro Tag ausgereicht hätte, um alles zu sagen. Tita hörte ihr aufmerksam zu. Ja sie fürchtete sogar, Gertrudis könnte irgendwann zu Ende kommen, denn dann wäre sie an der Reihe zu erzählen. Sie wußte, daß ihr nur noch dieser letzte Tag blieb, um Gertrudis ihren Kummer zu beichten. Wenn sie auch vor Verlangen nach einer Aussprache mit der Schwester fast gestorben wäre, hegte sie doch ihre Zweifel, wie diese darauf reagieren würde.
    Statt sie zu ermüden, hatte der Besuch ihrer Schwester, selbst mit der ganzen Truppe und trotz der damit verbundenen Arbeit, Tita eine willkommene Atempause verschafft.
    All diese Leute, die Haus und Hof bevölkerten, machten es nämlich schier unmöglich, mit Pedro zu sprechen, geschweige denn, sich mit ihm in der dunklen Kammer zu treffen. Das beruhigte Tita ein wenig, war sie doch auf ein Gespräch mit ihm noch nicht vorbereitet. Zuallererst wollte sie sorgfältig alle möglichen Konsequenzen ihrer Schwangerschaft durchdenken und dann einen Entschluß fassen. Auf der einen Seite standen Pedro und

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