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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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einmal sei, ihr bis an ihr Lebensende zu dienen.
    Bis dahin war alles überraschend reibungslos verlaufen, zu Anfang hatten Rosauras Worte Tita sogar Gewissensbisse bereitet; sobald sie freilich, und das schon zum zweiten Mal, aus ihrem Munde vernahm, welches Schicksal Esperanza erwartete, hatte sie sich gewaltig beherrschen müssen, um ihrer Schwester nur ja nicht ins Gesicht zu schreien, diese Idee sei das Gemeinste, was sie in ihrem Leben je gehört habe. Momentan konnte sie sich einen derartigen Streit, der gegen ihren guten Vorsatz verstoßen würde, das Leid, das sie Rosaura zufügte, wiedergutzumachen, einfach nicht leisten. Anstatt ihrer Wut Luft zu machen, versprach sie ihrer Schwester also, ihr eine spezielle Diät zu kochen und bei der Schlankheitskur zu helfen. Betont freundlich vertraute sie ihr schließlich sogar ein altes Familienrezept gegen üblen Mundgeruch an. Es lautet folgendermaßen: »Der üble Mundgeruch nimmt seinen Ursprung im Magen, und zwar gibt es verschiedene Ursachen, die ihn bewirken. Abhilfe schafft man, indem man zunächst mit einer Mischung aus Salzwasser, einigen Tropfen Essig und Kampferpulver gurgelt und gleichzeitig die Nase ausspült. Zusätzlich sollte man ständig Pfefferminzblätter kauen. Bei konsequenter Anwendung kann man selbst dem unangenehmsten Atem zu Leibe rücken.«
    Rosaura dankte Tita überschwenglich für ihre Ratschläge und lief sogleich in den Garten hinaus, um Pfefferminzblätter zu pflücken, nicht jedoch, ohne Tita vorher inständig um absolute Verschwiegenheit in dieser heiklen Angelegenheit zu bitten. Rosauras Gesicht spiegelte unendliche Erleichterung wider. Tita hingegen war völlig am Boden zerstört. Was hatte sie nur angerichtet! Wie sollte sie den Schaden wiedergutmachen, den sie bei Rosaura, bei Pedro, sich selbst und vor allem John angerichtet hatte? Wie würde sie bloß John gegenübertreten, wenn er von seiner Reise heimkehrte? John, die einzige Person, der sie nur Gutes nachsagen konnte, John, der sie wieder zur Vernunft gebracht, ihr den Weg in die Freiheit gezeigt hatte.
    John, der Frieden, die Ruhe, die Vernunft. Er hatte das wirklich nicht verdient! Wie sollte sie ihm alles erklären, was konnte sie bloß tun? Vorläufig wäre es wohl das beste, erst einmal den Dreikönigszopf fertigzustellen, denn der Hefeteig, den sie hatte ruhen lassen, während sie mit Rosaura schwatzte, war inzwischen für den nächsten Schritt bereit.
    Das Kilo Mehl wird auf den Tisch geschüttet, aufgehäuft und in der Mitte wird eine Vertiefung gebildet. Dort gibt man die restlichen Zutaten hinein, knetet sie langsam von der Mitte aus unter und arbeitet sich so allmählich nach außen vor, bis das ganze Mehl verbraucht ist. Sobald die Masse mit der Hefe auf das Doppelte angewachsen ist, wird sie mit dem restlichen Teig so lange verknetet, bis er nicht mehr klebt und sich leicht von den Händen löst. Mit einem Spachtel entfernt man die Reste, die noch auf dem Tisch haften, und gibt sie zu dem Kuchenteig. Nun wird er in eine tiefe, gefettete Backform gefüllt, mit einem Küchenhandtuch zugedeckt und so lange stehengelassen, bis er nochmals auf das Doppelte aufgegangen ist. Dabei ist zu beachten, daß der Teig ungefähr zwei Stunden braucht, um seine Menge zu verdoppeln, und dieser Vorgang dreimal wiederholt werden muß, bevor der Kuchen in den Backofen geschoben werden kann.
    Als Tita gerade dabei war, das Gefäß, in dem der Teig ruhte, mit einem Tuch abzudecken, stieß plötzlich ein heftiger Windstoß die Küchentür sperrangelweit auf und durchzog den Raum mit einer eisigen Kälte. Das Küchentuch flog durch die Luft, und ein frostiges Schaudern fuhr Tita über den Rücken. Da schnellte sie herum und stand geradewegs Mama Elena gegenüber, die sie strafend anblickte.
    »Habe ich dir nicht tausendmal gesagt, du sollst dich von Pedro fernhalten. Warum hast du das nicht befolgt?«
    »Ich habe es doch versucht, Mami,... aber ...«
    »Nichts aber! Was du getan hast, ist unbeschreiblich! Du hast wohl völlig vergessen, daß es eine Moral gibt, Respekt, Anständigkeit! Du bist eine liederliche Person ohne Stolz. Den Namen meiner gesamten Familie hast du in den Schmutz gezogen, angefangen bei meinen Vorfahren bis hin zu der verfluchten Kreatur, die du in deinem Leib trägst.«
    »Nein! Mein Sohn ist nicht verflucht!«
    »Doch, das ist er! Ich verfluche ihn! Du und er, ihr sollt auf immer verflucht sein.«
    »Nein, bitte nicht!«
    Zum Glück brachte Chenchas plötzliches

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