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Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel de Montaigne
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Livius X, 6: Es sei mehr die Sache der Götter als die ihrige. Diese würden schon verhüten, daß ihre Tempel entweiht werden.
     
    12 Cicero. De divin. I, 40: Wo wäre der Mann, den die herrlichen Denkmale nicht rühren, welche das Altertum bezeugt und besiegelt hat.
     
    13 Cicero, De nat. deor. III, 2: In Sachen, welche die Religion betreffen, folge ich den Oberpriestern, nicht den Häuptern philosophischer Schulen.
     
    14 Seneca, Oedipus III, 686: Der treuherzige Gläubige baut dem Betrug geheime Tempel und Werkstätten.
Von der Pedanterei.

Von der Mäßigung.

    Gleichsam als ob unsere Berührung etwas Ansteckendes hätte, verderben wir durch unser Behandeln solche Dinge, die an und für sich selbst schön und gut sind. Wir können die Tugend auf eine Art ergreifen, daß sie dadurch fehlerhaft wird; wenn wir solche mit zu großer Hitze und zu heftiger Gier umarmen. Diejenigen, welche sagen, in der Tugend könne niemals ein Übermaß stattfinden, spielen mit Worten, und erwägen nicht, daß da keine Tugend mehr ist, wo sich Übermaß befindet.
     
    Insani sapiens nomen ferat, aequus iniqui,
    Ultra quam satis est, virtutem si petat ipsam 1
     
    ist eine feine Bemerkung der Philosophie. Man kann sowohl die Tugend übermäßig lieben als sich ausschweifend bei einer gerechten Handlung benehmen. Auf diese Behutsamkeit zielt die Schrift, wenn sie sagt: "Seid nicht weiser, als sich gebührt, sondern seid weise mit Zucht!" Ich habe an einem Großen erlebt, daß er die Ehre seiner Religion dadurch verkleinerte, daß er, über alle Beispiele von Personen seines Standes hinaus, sich religiös bezeigte. Ich liebe die gemäßigten Naturen, welche die Mittelstraße halten. Wenn mich auch die Unmäßigkeit, selbst im Guten, nicht in Harnisch bringt, so setzt sie mich doch in Erstaunen und macht mich irre über den Namen, den ich ihr geben soll. Weder die Mutter des Pausanias, welche den ersten Wink gab und den ersten Stein zum Tode ihres Sohnes herbeibrachte, noch der Diktator Posthumius, welcher den seinigen hinrichten ließ, den die Hitze der Jugend so glücklich hingerissen hatte, ein wenig aus seinem Glied hervorzutreten, scheinen mir so gerecht als auffallend. Und ich möchte eine so wilde und eine so teuer erkaufte Tugend weder anraten noch nachahmen. Der Schütze, welcher über die Scheibe hinschießt, fehlt ebensowohl als der, welcher zu kurz schießt. Und die Augen werden mir ebensowohl geblendet, wenn ich plötzlich in ein helles Licht sehe als in eine große Dunkelheit. Callicles sagt beim Plato, die äußerste Grenze der Philosophie sei nachteilig, und rät an, sich nicht tiefer hinein zu wagen, als sofern sie Nutzen gewährt; mäßig getrieben sei sie angenehm und gefällig; am Ende aber mache sie den Menschen wild und unbändig, zum Verächter der Religion und der bürgerlichen Gesetze; zum Feinde des geselligen Umgangs; zum Feinde der menschlichen Freuden; mache unfähig zur Verwaltung öffentlicher Geschäfte, oder dem Nebenmenschen beizustehn, oder sich selbst zu helfen: mache bloß geschickt, sich umsonst nasenstübern zu lassen. Er hat recht! Denn sobald sie übertrieben ist, legt sie unsre natürliche Freiheit in Sklavenketten und verleitet uns durch ihre lästige Spitzfindigkeit, den schönen, ebenen Weg zu verlassen, den die Natur uns anweist. Es ist nach allen Gesetzen erlaubt und recht, unsre Gattin zu lieben: gleichwohl hat die Theologie nötig erachtet, dieser Liebe einen Zaum anzulegen und sie in gewissen Schranken zu halten. Wo ich nicht irre, so las ich einst beim Sankt Thomas, in einer Stelle, wo er die Ehen im verbotenen Grade verdammt, unter andern angeführten Gründen auch diesen: Es stehe zu befahren, die Neigung zu einer solchen Gattin möchte unmäßig werden. Denn befände sich dabei die eheliche Liebe ganz und völlig, wie sich zieme, und man überlade sie noch dazu mit jener Liebe, die man der Blutsfreundin schuldig, so sei kein Zweifel, dies Übergewicht müsse einen solchen Ehemann über den Schlagbaum der Vernunft hinaustreiben.
    Die Wissenschaften, welche die menschlichen Sitten anordnen, als z.B. die Theologie und Philosophie, befassen sich mit allen Dingen. Keine Handlung, sie sei noch so verborgen oder geheim, kann sich ihren Urteilen und ihrer Gerichtsbarkeit entziehen. Wahre Lehrlinge sind es, die ihre Freiheit verfechten. Die Weiblein lassen nach Lust und Belieben den Buhlen ihre Heimlichkeiten erfahren; den Arzt aber? Ja, das verbietet die Schamhaftigkeit. Ich will also, in

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