Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel de Montaigne
Vom Netzwerk:
jene Opfer mit Kriegsgefangenen beschicken könne. Anderwärts, in einem gewissen Marktflecken, opferte man, um Córtez zu bewillkommen, fünfzig Menschen auf einmal. Laß mich noch diese Erzählung anführen: Nachdem einige von diesen Völkern vom Córtez geschlagen worden, schickten sie Abgeordnete an ihn, um zu kundschaften und ihn um seine Freundschaft zu bitten. Diese Botschafter überbrachten dreierlei Gattungen von Geschenken auf folgende Weise: "Herr", sagten sie, "hier sind fünf Sklaven! Bist du ein strenger Gott und nährest du dich von Menschenfleisch und Blut, verzehre sie und wir wollen dir mehr herbringen; bist du ein Gott von sanftmütigem Sinn, so sind hier Federn und Räucherwerk, zum Geschenk für dich; bist du ein Mensch, so nimm dies Geflügel und diese Früchte, die wir dir überbringen."
     
    Fußnoten
     
    1 Horaz, Epist. I, 6, 15: Ja, selbst den Weisen heißt man toll, den frommen Schalk, der's mit der Tugend weiter treibt, als seine Pflicht erheischt.
     
    2 Properz III, 7, 44: Ein Unbill aus des Schicksals Hand erhöhen wir durch Kunst zum Jammer.
Über die Einsamkeit.

    Die weitläufige Vergleichung des einsamen mit dem tätigen oder geselligen Leben wollen wir linker Hand liegen lassen. Und was die glatten Worte anlangt, hinter welche sich die Ehrsucht und der Geldgeiz verbergen wollen, "daß wir nicht bloß unsertwegen, sondern für das allgemeine Beste auf dieser Welt sind", so wollen wir es denen, die eben am Tanze sind, ganz dreist ins Gewissen schieben, und sie mögen die Hand aufs Herz legen und sagen, ob man nicht, gerade im Gegenteil, Stand und Ämter und den Wirrwarr der Welt nur deswegen sucht, um vom allgemeinen Wesen seinen eigenen und besondern Vorteil zu ziehen; die elenden Mittel, wodurch man sich zu unsern Zeiten hineindrängt, zeigen deutlich, daß der Zweck nicht viel taugt. Der Ehrsucht laß uns antworten: daß es gerade sie selbst sei, die uns Gefallen an der Einsamkeit einflößt; denn was flieht sie geflissentlicher als gesellschaftlichen Umgang, was sucht sie emsiger als weiten Spielraum für sich allein? Es läßt sich allenthalben Gutes tun und Böses; wenn indessen der Spruch des Bias wahr ist, daß der schlechteste Teil der größere ist, oder auch der Spruch des Predigers Salomon: Unter tausend ist auch nicht einer, der gut sei:
     
    Rari quippe boni: numero vix sunt totidem quot
    Thebarum portae, vel divitis ostia Nili 1 ,
     
    so ist die Ansteckung im Gedränge sehr gefährlich. Man muß die verderbten Menschen entweder nachahmen oder sie hassen. Beides aber ist gefährlich, sowohl daß man sie nachahme, weil ihrer so viele; als so viele zu hassen, weil sie uns unähnlich sind. Und haben die Kaufleute recht, welche Seereisen tun, darauf zu sehen, daß keine liederlichen Menschen, Gotteslästerer oder andere Bösewichter mit ihnen ein Schiff besteigen, weil solche Gesellschaft Unglück bringt. Daher sagte Bias gar treffend zu einigen Menschen von solchem Schlage, die in einem wackern Seesturm mit ihm auf einem Schiffe sich befanden und die Götter um Hilfe anflehten: "Haltet doch 's Maul," sagte er, "damit sie nicht merken, daß ich euch bei mir habe!" Und ein noch bündigeres Beispiel gibt der portugiesische Vizekönig in Indien, Albuquerque: Als er sich auf dem Meere in großer Gefahr befand, nahm er einen jungen Knaben auf die Schultern, in der einzigen Absicht, ihm werde die Unschuld des Kindes in der gemeinschaftlichen Not zur Rettung und zur Empfehlung in die Gunst des Himmels dienen, um ihn an Land zu bringen.
    Es ist nicht zu leugnen, der Weise kann allenthalben zufrieden leben; ja selbst im Gedränge der Paläste einsam sein und sich selbst genießen: hat er aber die Wahl, so wird er, sagt die Schule, selbst ihren Anblick fliehen; er wird, wenn es nötig ist, das erste ertragen; steht's aber bei ihm, so wird er das letztere wählen. Ihn dünkt, er habe sich noch nicht hinlänglich der Fehler entschlagen, solange er mit den Lastern andrer kämpfen soll. Charondas belegte diejenigen mit Strafen, welche überzeugt wurden, daß sie sich in schlechten Gesellschaften befunden hätten. Nichts in der Welt ist so ungesellig und zugleich so gesellig als der Mensch; das eine durch seine Schuld und das andre nach seiner Natur. Und deucht mich, Antisthenes habe denjenigen nicht befriedigt, der ihm seinen Umgang mit schlechten Leuten vorrückte, wenn er darauf erwiderte: "Halten doch die Ärzte mit den Siechen Umgang; denn wenn sie den Siechen zur Gesundheit

Weitere Kostenlose Bücher