Essen kann jeder
Wir leben schließlich in einem der reichsten Länder der Erde. In anderen Teilen der Welt würden sich die Menschen freuen, wenn ihre größte Sorge der morgendliche Blick auf die Waage wäre. Vielleicht gibt es auch mehr Dicke als früher. Wenn ich mir allerdings Gemälde aus der Barockzeit anschaue, habe ich nicht den Eindruck, dass damals zum Frühstück, Mittag- und Abendessen am Hungertuch genagt wurde. Ganz im Gegenteil: Die Damen, die sich auf den Aktbildern des 17. Jahrhunderts rekeln, würden heute von Heidi Klum höchstens für eine Elefantenparade gecastet werden. Oder denken Sie an historische Persönlichkeiten wie Winston Churchill oder Ludwig Erhard. Die haben nicht nur in der Geschichte, sondern auch im Sofapolster einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Selbst ein strammer Arier wie Hermann Göring glich eher einem kenianischen Nilpferd als einem deutschen Jagdhund. Seine Parole »Kanonen statt Butter« müssen wir wahrscheinlich als Diätplan für korpulente Parteimitglieder interpretieren. Aber bevor mich die Ernährungsberater steinigen: Ja – es gibt heute mehr dicke Menschen als früher.
Aber schauen wir uns die vermeintlichen Fakten an: Wenn man dem Statistischen Bundesamt glauben darf, sind mittlerweile mehr als die Hälfte der Deutschen übergewichtig. Die WHO spricht sogar von einer weltweiten »Epidemie der Fettleibigkeit«. Pommes gelten mittlerweile unter Seuchenexperten als ansteckender als eine Horde ebolakranker Rhesusaffen. Aber schauen Sie sich doch bitte mal in Ihrem Freundeskreis um! Oder beobachten Sie Ihre Arbeitskollegen. Setzen Sie sich in ein Straßencafé und betrachten Sie die Passanten. Haben Sie wirklich den Eindruck, dass jeder Zweite dringend abnehmen müsste? Ich nicht. Meine gefühlte Realität weicht beim Thema Übergewicht so weit von der Statistik ab, dass ich mir die Frage stelle: Was heißt denn eigentlich Übergewicht?
Irrsinn ist Gewicht durch Länge zum Quadrat
Im Allgemeinen gilt man ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 25 als übergewichtig, ab einem BMI-Wert von 40 ist man »morbide adipös« oder einfach so fett, dass man als Hüpfburg arbeiten kann. Diese Grenzwerte hat die UNO 1995 festgesetzt.
»Dick« ist also keine Naturkonstante, sondern Definitionssache. Das mussten vor allem die Amerikaner 1998 schmerzhaft erfahren, als die nationale BMI-Grenze dem internationalen Richtwert angepasst und von 27,5 auf 25 heruntergesetzt wurde. Mit dem erschütternden Ergebnis, dass innerhalb eines Tages über 20 Millionen Amerikaner plötzlich zu dick waren. Das muss man sich mal vorstellen, da schlägt man morgens die Zeitung auf und stellt fest, dass man über Nacht fett geworden ist – und das noch vor dem Frühstück! Kein Wunder, dass die amerikanische Gesellschaft an Verfolgungswahn leidet.
Dummerweise sagt der BMI nichts über den Fett- und den Muskelanteil unserer Körpermasse aus, also darüber, ob wir über gewichtig oder vielleicht nur muskulös sind. Wladimir Klitschko ist zum Beispiel mit 1,98 Meter und 111 Kilogramm laut BMI übergewichtig. Für die Frage, ob man wirklich zu fett ist, ist der Body-Mass-Index also nur begrenzt aussagekräftig. Das scheint zumindest die einhellige Meinung von Ernährungsexperten zu sein. Selbst bei Wikipedia ist diese Erkenntnis schon angekommen. Aber ist das nicht witzig? Obwohl der BMI in seiner Aussagekraft höchst zweifelhaft ist, entscheidet er darüber, ob einem Menschen das Kainsmal der Dickleibigkeit auf die Wampe gedrückt wird.
Einige werden jetzt fragen: Wie wird denn dieser verdammte Body-Mass-Index überhaupt berechnet? Ich werde es Ihnen kurz erklären, aber nur, wenn Sie mir versprechen, es anschließend ganz schnell wieder zu vergessen. Also: Der BMI berechnet sich aus dem Gewicht, geteilt durch die Größe im Quadrat. Klingt irre wissenschaftlich, oder? Wie die Relativitätstheorie für Diätberater. Aber auch ein bisschen willkürlich, finden Sie nicht? Warum ist der BMI nicht Größe durch Gewicht zum Quadrat? Oder Gewicht durch Größe zum Quadrat mal die Wurzel aus der Länge der Fußnägel? Nur so ein Gedanke. Wenn man seinen BMI berechnet hat, kann man in einer Tabelle nachschauen und ermitteln, ob man unter-, normal- oder übergewichtig ist. Werte unter 18,5 sind als Untergewicht definiert. Zwischen 20 und 25 ist alles prima. Und wie bereits erwähnt, ab 25 hört der Spaß auf.
Ein Beispiel: Wenn Sie 1,80 Meter groß sind und 85 Kilogramm wiegen, haben Sie nach obiger Formel einen Body Mass
Weitere Kostenlose Bücher