Essen kann jeder
uneffektivere Methode abzunehmen als Diäten. Doch selbst wenn man zu noch rabiateren Mitteln greift, sind die Ergebnisse mehr als bescheiden. Eine Zeit lang war es schick, sich den Darm verkürzen oder den Mund versiegeln zu lassen, indem man den Kiefer verdrahtet. Ganz Verzweifelte haben sich angeblich sogar den Kopf einbetonieren lassen. Auch nach einer – igittigitt – Fettabsaugung kehren die meisten Patienten wieder zu ihrem Ausgangsgewicht zurück. (Mit Fettabsaugen lässt sich allerdings clever Geld sparen. Aus einem Kilo menschlichen Fetts können mehrere Liter Biodiesel gewonnen werden. Da heißt es: Im Winter Braten und Torten reinpfeifen, im Frühjahr den Speck absaugen und im Sommer mit der eigenen Plauze im Tank in die Toskana düsen.)
Witzigerweise funktioniert dieser Mechanismus auch in die andere Richtung. Labormäusen implantierten Wissenschaftler künstliche Gewichte. Das Resultat: Die Nager verloren so lange an Körpermasse, bis sie ihr ursprüngliches Gewicht wiederhat ten. Viele Forscher vermuten, dass hierfür ein körpereignes Regel system verantwortlich ist, der Ponderostat. Er hält unser Gewicht wie ein Thermostat bis auf wenige Kilo konstant. Wenn wir zu wenig essen, bekommen wir Appetit. Wenn wir zu viel gefuttert haben, dampfen und stampfen wir überflüssige Energie in Form von Wärme wieder ab. Das erklärt auch das hitzige Klima in bayerischen Bierzelten. Würden die Jungs dort Grünkernfrikadellen statt Schweinshaxen essen, müssten sie sich nicht ständig eins auf die Fresse hauen, um ihren Kalorienüberschuss loszuwerden.
Folgt man dieser Theorie, ist es extrem schwierig, sein Gewicht langfristig zu reduzieren. Wenn es klappt, dann nur unter schwersten Qualen. Das ist ja das Schlimme beim Abnehmen: Nicht nur der Zuckerspiegel, auch die Laune rutscht in den Keller. Was nützt dir die tollste Figur, wenn kein Mensch mehr etwas mit dir zu tun haben will, weil du immer so nölig drauf bist? Es gibt kaum etwas so Beziehungstötendes wie lange Hungerperioden. Versuchen Sie mal eine Frau, die gerade eine Nulldiät macht, sexuell zu stimulieren. Da können Sie auch gleich einer schlafenden Löwin die Beine epilieren.
Treten wir mal einen Schritt zurück und fragen uns: Worum geht es hier eigentlich? Was ist so schlimm am Dicksein? Geht es um ästhetische Maßstäbe? Weil Dicksein hässlich ist? Sind wir mittlerweile so oberflächlich und infantil, dass wir alle davon träumen, Germany’s next Topmodel zu sein? Oder geht es um Askese? Sind Dicke gar eine Bedrohung für die Volkswirtschaft? Weil sie sich wie Heuschrecken an unseren sozialen Sicherungssystemen laben und so den gesellschaftlichen Frieden stören?
So zumindest steht es – etwas geschmeidiger formuliert – im nationalen Aktionsplan gegen Übergewicht der Bundesregierung: »Gesundheit ist nicht nur Voraussetzung für Wohlbe finden, Lebensqualität und Leistung, sondern auch ein Wirt schafts- und Standortfaktor. Darüber hinaus ist sie wichtig für die Stabilität des Generationenvertrages.« Wie bitte? Langt es nicht, dass bei der derzeitigen demografischen Entwicklung meine Rente im Jahre 2050 gerade mal für eine Pommes reicht? Ist jetzt jede Extraportion Mayo ein Verbrechen an künftigen Generationen?
Diese Argumentation ist totaler Unfug. Unter sozialpolitischen Gesichtspunkten sollten wir den Dicken dankbar sein. Wenn ein Mensch mit 65 wegen seiner eigenen Fettsucht explodiert, entlastet er die Rentenkasse deutlich mehr als ein Jogging-Opa, der noch neunzigjährig mit seinem Inhalationsgerät im Schlepptau am Berlin-Marathon teilnimmt. Ohne gesundheitsbeflissenen Menschen ihre Illusionen rauben zu wollen: Auch ihr verpufft am Ende eures Lebens nicht in einer großen Wolke aus Dinkelmehl. Euch rafft der Alzheimer dahin. Bei einem jähen Herzinfarkt hingegen kommen die Krankenkassen um einiges billiger weg.
Vorsicht: Untergewicht!
Außerdem: Ist Dicksein überhaupt ungesund? »Wie bitte, was soll denn solch eine absurde Frage?«, sagen Sie jetzt. Das ist doch eine unumstößliche Wahrheit! Dicksein ist ungesund. Punkt, aus, Micky Maus. Ganz so einfach ist es aber nicht. Eine Studie des amerikanischen Gesundheitsministeriums, also aus dem Mutterland der Dickleibigkeit, zeigt, dass übergewichtige Menschen mit einem Body-Mass-Index zwischen 25 bis 30 etwas länger leben als ihre idealpfundigen Zeitgenossen. Gerade im Alter ist etwas Fett auf den Rippen der Gesundheit sehr förderlich. Was ja auch die Statistik
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