Essen kann jeder
Amerikanische Forscher haben schon Schweine gentechnisch verändert, damit sie Omega-3-Fettsäure produzieren. Das Gen dazu kam übrigens von einem Wurm. Man hat von dem Omega-3-Schweinewurm nicht mehr viel gehört. Vielleicht war er schwer zu halten. Wer kann schon Ferkel gebrauchen, die sich nur an die Erdoberfläche graben, wenn es regnet!
Wenn ich so etwas lese, kommt mir der Verdacht, dass »Omega 3« keine Bezeichnung für eine Fettsäure ist, sondern eher der Planet, von dem zwei Drittel aller deutschen Ernährungsberater stammen. Es kann doch nicht ernsthaft wahr sein, dass wir Deutschen uns jetzt tatsächlich ernähren sollen wie Eskimos. Vielleicht haben diese Menschen auch nur weniger Herzinfarkte, weil sie erfrieren oder vom Eisbären gerissen wurden, bevor sie überhaupt in das Alter kommen, wo es langsam mit den Herz-Kreislauf-Problemen losgeht. Und wer weiß, vielleicht liegt es ja gar nicht am Fisch, dass die Jungs so fit sind? Eskimos essen bekanntermaßen auch Robben. Vielleicht ist in Wirklichkeit Robbenfleisch gut gegen Herzinfarkt? Vielleicht sollten wir jetzt anfangen, morgens zum Milchkaffee rohen Wal rossspeck zu kauen. Und ich denke, für einen Satz gesunder Koronaraterien schlägt die gesundheitsbeflissene Apothekergat tin auch einem süßen Robbenbaby den Schädel ein. Übrigens würde ein Eskimo nie auf die Idee kommen, sich aus gesundheitlichen Erwägungen plötzlich zu ernähren wie wir Deutsche. Wenn man so einem stolzen Polarjäger sagen würde: Hör mal her, der Hesse bekommt weniger Gicht als du, dann fährt der auch nicht mit seinem Schlitten los und vespert nur noch Handkäs mit Musik.
Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Der Mensch ist doch jahrtausendelang ganz gut zurechtgekommen, ohne dass er etwas von Fettsäuren, Biotin oder Niacin gewusst hat. Wenn wir die meiste Zeit darüber nachgegrübelt hätten, ob die Wurzeln, die wir kauen, auch den Tagesbedarf an Folsäure eines Affen in der Entwicklungsphase decken, würden wir heute noch auf Bäumen hausen. Aber vielleicht täusche ich mich auch. Vielleicht sind die Ne andertaler durch das Gebüsch gerobbt, und es kam zu Dialogen wie diesem: »Oh, verdammt, ein Säbelzahntiger!« – »Gefährlich?« – »Das auch, aber vor allem mit katastrophalem Vitamin-B12-Wert!«
Die Hieroglyphen der alten Ägypter könnten ja auch nichts anderes als versteckte Diätvorschriften sein. Vielleicht steht im Tal der Könige über den Gräbern geschrieben: »Hier liegt Tutanchamun, der im Jahr des Krokodils aufgrund eines chronischen Mangels an ungesättigten Fettsäuren starb!«
Um es noch einmal klar zu sagen: Omega-3-Fettsäuren sind essenzielle Stoffe, das heißt, sie sind überlebenswichtig. Aber diese Substanz ist auch nicht so selten, dass Brot, Margarine, Eier und Joghurt mit aller Gewalt mit Fischöl vollgepumpt werden müssen. Backen Sie lieber einmal in der Woche einen Karpfen. Und wenn Ihnen Fisch nicht schmeckt: In Walnüssen, Leinöl, Hanf, Raps und Soja sind auch ungesättigte Fettsäuren. Ich habe übrigens keinen einzigen Nährstoff gefunden, der nicht in irgendeinem ganz trivialen Nahrungsmittel enthalten ist. Biotin ist in Blumenkohl. Vitamin A in der Milch. Mangan in Bananen. Selen in Gurken. Was ich übrigens sehr witzig finde: In einer Leber sind mindestens sieben Vitamine enthalten. Dieses Organ ist quasi die Multivitamintablette unter den natürlichen Nahrungsmitteln. Wobei das natürlich nicht jedem schmeckt. Für mich persönlich gilt: Bevor ich Leber esse, habe ich lieber Rachitis.
Was sagt mir mein Bauch?
In natürlicher Nahrung ist also im Grunde alles, was man zum Leben braucht. Schließlich waren die meisten Menschen bis vor wenigen Jahren auch keine blinden, zahnlosen, anämischen Gesellen, bis endlich die Heil bringenden Segnungen der Lebensmittelindustrie auf sie niedergeregnet sind. Selbst die an Jodmangel leidenden Almbewohner, die in diesem Zusammenhang gerne genannt werden, sind heute extrem selten geworden. Schade eigentlich – heute könnten sie mit ihrem Kropf in der Tourismusbranche ein Heidengeld verdienen.
Und seien Sie sicher, der Körper meldet sich, wenn er Nachschub an dem einen oder anderen Vitalstoff braucht. Wenn Sie tierisch Bock auf Fisch haben, liegt das nicht daran, dass Freitag ist und Ihre katholische Erziehung durchbricht, sondern dass Sie eben diese verdammten ungesättigten Fettsäuren brauchen. Denn die menschliche Verdauung ist ein hochkomplexes, von der Evolution raffiniert
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